a) Der unzutreffenden Wiedergabe von (angeblichen) Äußerungen eines Verstorbenen kommt ein dessen postmortales Persönlichkeitsrecht verletzendes Gewicht zu, wenn die untergeschobenen Äußerungen nach Qualität und/oder Quantität das Lebensbild des Verstorbenen grob entstellen.

b) Das postmortale Persönlichkeitsrecht schützt den Verstorbenen grundsätzlich nicht davor, mit Aussagen zitiert zu werden, die er zu Lebzeiten im vertrauli-chen Gespräch mit der ausdrücklichen Erklärung, sie nicht veröffentlichen zu wollen („Sperrvermerk“), getätigt hat.

c) Zur Reichweite des postmortalen Persönlichkeitsrechts in Bezug auf Buchver-öffentlichungen („VERMÄCHTNIS-DIE KOHL-PROTOKOLLE“).

BUNDESGERICHTSHOF TEIL-URTEIL VI ZR 248/18 vom 29. November 2021

GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; BGB § 823 (Ah), § 1004; ZPO § 554 Abs. 2 Satz 1

a) Der unzutreffenden Wiedergabe von (angeblichen) Äußerungen eines Ver-storbenen kommt ein dessen postmortales Persönlichkeitsrecht verletzendes Gewicht zu, wenn die untergeschobenen Äußerungen nach Qualität und/oder Quantität das Lebensbild des Verstorbenen grob entstellen.

b) Das postmortale Persönlichkeitsrecht schützt den Verstorbenen grundsätzlich nicht davor, mit Aussagen zitiert zu werden, die er zu Lebzeiten im vertrauli-chen Gespräch mit der ausdrücklichen Erklärung, sie nicht veröffentlichen zu wollen („Sperrvermerk“), getätigt hat.

c) Zur Reichweite des postmortalen Persönlichkeitsrechts in Bezug auf Buchver-öffentlichungen („VERMÄCHTNIS-DIE KOHL-PROTOKOLLE“).

… für Recht erkannt:

1. Auf die Revisionen der Beklagten zu 3 und der Klägerin wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 29. Mai 2018 – 15 U 65/17 – im Kostenpunkt mit Ausnahme der Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 und 2 und
a) auf die Revision der Beklagten zu 3 insoweit aufgehoben, als darin die Be-rufung der Beklagten zu 3 gegen ihre Verurteilung im Urteil der 14. Zivil-kammer des Landgerichts Köln vom 27. April 2017 – 14 O 261/16 -, es zu unterlassen, folgende Passagen zu veröffentlichen oder zu verbreiten, zu-rückgewiesen worden ist:
Passagen 4 bis 7, 9, 10, 12 bis 17, 19, 20, 23, 24, 26 bis 28, 30, 32 bis 42, 44 bis 47, 49 bis 53, 55, 57 bis 60, 63 bis 72, 74 bis 80, 82 bis 87, 91, 95 bis 98, 102, 103, 105 bis 110, 112 bis 116,
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Passage 21, soweit der Erblasser hier in Bezug auf Matthias Wissmann mit den Worten „In einem bestimmten Zeitabschnitt war er lausbübisch“ und „Er hat bei der Verjüngung gar nichts erbracht, weil er typologisch ein alter Mann ist“, zitiert wird,
Passage 22, soweit der Erblasser hier in Bezug auf Angela Merkel mit den Worten „Diese Dame ist ja wenig vom Charakter heimgesucht.“ und „die Dame Merkel“ und in Bezug auf Volker Rühe mit den Worten „eher nützlich“, „eher“ und „natürlich die Hosen gestrichen voll“ zitiert wird,
Passage 29, soweit der Erblasser hier in Bezug auf Rita Süssmuth mit den Worten „die sich wegen günstiger Todesfälle in der Frauenunion hochhievte ins Kabinett“ zitiert wird,
Passage 54, soweit der Erblasser hier in Bezug auf Gerhard Schröder mit den Worten „Aus dem wird auch in hundert Jahren nichts“, „Er ist von Han-nover weg und hat nahezu alle sitzen lassen, abgesehen von Steinmeier“ und „So wird er auch in einigen Jahren abgehen. Dann lässt er das Messer in der Seite stecken und geht ans große Geld.“ zitiert wird,
Passage 88, soweit der Erblasser hier in Bezug auf Johannes Rau mit den Worten „diese absurde Figur, die sich da ins Amt des Bundespräsidenten geschlichen hat“ und „die unerträgliche Verknüpfung von Religion und Po-litik“ zitiert wird, und
Passage 90, soweit der Erblasser hier in Bezug auf Wolfgang Thierse mit den Worten „Es ist doch dem Volkshochschulhirn von Thierse entsprungen, dass das auf den Straßen entschieden wurde“ zitiert wird.
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b) auf die Revision der Klägerin insoweit aufgehoben, als die Klage hinsichtlich der Beklagten zu 3 unter Abänderung des Urteils der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 27. April 2017 – 14 O 261/16 – abgewiesen worden ist in Bezug auf
Passage 22 hinsichtlich der Aussage „Zu einer gewissen Hoffnung gibt al-lenfalls Volker Rühe Anlass. Der Nachfolger Heiner Geißlers im Amt des Generalsekretärs erhält von Kohl immerhin das Prädikat ‚eher nützlich‘, wo-bei bereits das Epitheton ‚eher‘ genaugenommen infernalisch ist. Ein Held scheint er jedenfalls nicht eben zu sein. Bei seiner Kandidatur 1989 in Bre-men hatte Rühe ’natürlich die Hosen gestrichen voll'“,
Passage 49 hinsichtlich des Satzes „Müller ist charakterlich wirklich eine Null“,
Passage 88 hinsichtlich der Sätze „‚diese absurde Figur, die sich da ins Amt des Bundespräsidenten geschlichen hat.‘ Kohls Unwillen erregt vor allem Raus pastoraler Ton, die langjährige Nähe zur Friedensbewegung, ‚die un-erträgliche Verknüpfung von Religion und Politik'“, sowie
Passagen 14, 28, 32, 38, 45, 66, 68, 83, 85 und 98.
2. Die Klage wird in Bezug auf die Beklagte zu 3 unter Abänderung des Urteils der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 27. April 2017 – 14 O 261/16 – auch
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hinsichtlich Passage 22, soweit sich die Klägerin gegen die Angela Merkel betreffenden Worte „Diese Dame ist ja wenig vom Charakter heimgesucht.“ und „die Dame Merkel“ wendet,
hinsichtlich Passage 29, soweit sich die Klägerin gegen die Rita Süssmuth betreffenden Worte „die sich wegen günstiger Todesfälle in der Frauen-union hochhievte ins Kabinett“ wendet,
hinsichtlich Passage 49, soweit sich die Klägerin gegen die Peter Müller betreffenden Worte „Wie der sich in der Spendengeschichte aufgeregt hat! Er war schon damals dabei, als beispielsweise dieses Genie Töpfer, dieser Ökonom von großen Gnaden, der jetzt in afrikanischen Höhlen herumlun-gert, Landesvorsitzender war. Müller kennt doch die Verhältnisse und weiß, wer ihm geholfen hat. Er hätte ja nicht sagen müssen, dass sie dankbar sind, sondern er hätte in Erinnerung an damals das Maul halten können.“ wendet,
hinsichtlich Passage 54, soweit sich die Klägerin gegen die Gerhard Schröder betreffenden Worte „Aus dem wird auch in hundert Jahren nichts“, „Er ist von Hannover weg und hat nahezu alle sitzen lassen, abgesehen von Steinmeier“ und „So wird er auch in einigen Jahren abgehen. Dann lässt er das Messer in der Seite stecken und geht ans große Geld.“ wendet,
hinsichtlich Passage 90, soweit sich die Klägerin gegen die Wolfgang Thierse betreffenden Worte „Es ist doch dem Volkshochschulhirn von Thierse entsprungen, dass das auf den Straßen entschieden wurde.“ wen-det, sowie
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– vollumfänglich – hinsichtlich der Passagen 4 bis 7, 9, 10, 12, 16, 17, 19, 23, 24, 26, 27, 30, 33 bis 37, 39 bis 42, 44, 46, 47, 50 bis 53, 57 bis 60, 63 bis 65, 67, 69 bis 72, 74 bis 77, 79, 80, 82, 84, 86, 87, 91, 95, 96, 102, 103, 105 bis 110, 112 und 114 bis 116
abgewiesen.
3. Im Übrigen wird die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung – soweit möglich auch über die Kosten des Revisionsver-fahrens – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
1. Die weitergehende Revision der Beklagten zu 3 wird mit der Maßgabe zurück-gewiesen, dass die Beklagte zu 3 zur Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der jeweiligen Passagen nur mit der Einschränkung
„wenn dies geschieht wie im (auch Hör-) Buch ‚VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE'“
verurteilt wird.
2. Die weitergehende Revision der Klägerin wird, soweit sie sich gegen die Ab-weisung der Klage gegen die Beklagte zu 3 hinsichtlich Passage 8 richtet, un-ter gleichzeitiger Zurückweisung der diesbezüglichen Nichtzulassungsbe-schwerde der Klägerin als unzulässig verworfen. Im Übrigen wird sie unter teil-weiser Abänderung des Berufungsurteils mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass
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hinsichtlich der Passagen 48, 56, 61, 92, 99 und 101 die Veröffentlichung und Verbreitung jeweils der gesamten Passage untersagt wird, wenn dies geschieht wie im (auch Hör-) Buch „VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE“,
hinsichtlich der Passage 22 der Satz „Da könne ‚man sich nur bekreuzigen'“ vollständig untersagt wird, wenn dies geschieht wie im (auch Hör-) Buch „VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE“,
hinsichtlich Passage 88 die Veröffentlichung und Verbreitung des gesamten Satzes „Im abschließenden Band der Memoiren – verspricht er – ‚werde ich mich über den Rau auslassen‘ “ untersagt wird, wenn dies geschieht wie im (auch Hör-) Buch „VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE“,
hinsichtlich Passage 90 die Veröffentlichung und Verbreitung des gesamten Satzes „Ausgerechnet Wolfgang Thierse, ‚dieses Subjekt‘, ‚der mit der Kerze. Der Rauschebart, der sich durch die Geschichte lügt, dass es eine Schande ist!‘ “ untersagt wird, wenn dies geschieht wie im (auch Hör-) Buch „VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE“,
(auch) hinsichtlich der Passagen 22, 48, 56, 61, 88, 90, 92, 99 und 101 im Umfang der Untersagung neben der wörtlichen auch die sinngemäße Ver-öffentlichung oder Verbreitung untersagt wird.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Klägerin, Ehefrau und Alleinerbin des während des Berufungsverfah-rens verstorbenen vormaligen Bundeskanzlers Dr. Helmut Kohl (im Folgenden: Erblasser), nimmt die Beklagten nach der Veröffentlichung eines Buches mit dem Titel „VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE“ auf Unterlassung der Veröf-fentlichung und Verbreitung von 116 Buchpassagen in Anspruch.
Der Erblasser und der Beklagte zu 1, Journalist und – wie der Erblasser – promovierter Historiker, beabsichtigten (spätestens) ab dem Jahr 1999, die Me-moiren des Erblassers zu erstellen, die dann im D.-Verlag erscheinen sollten. Hierzu schlossen sie – jeder gesondert für sich – Verträge mit dem D.-Verlag, die jeweils im November 1999 unterzeichnet wurden. Im Verlagsvertrag des Erblas-sers war dabei unter anderem geregelt:
„[…] § 1
Vertragsgegenstand
1. Dieser Vertrag betrifft das noch zu verfassende Werk des Autors mit dem Arbeitstitel: ‚Helmut Kohl, ERINNERUNGEN; Autobiographie‘ (nachfol-gend als Werk bezeichnet).
Das Werk hat den Charakter der Autobiographie von Helmut Kohl. […] § 4
Besondere Verpflichtungen
1. Der Verlag sichert zu, dass Herr Dr. S[…] [Beklagter zu 1] mindestens 200 Stunden kostenlos für eine Zusammenarbeit mit dem Autor bis zur Fertigstellung des Manuskripts zur Verfügung steht. […] 2. Der Verlag sichert zu, daß Herr Dr. S[…] persönlich die schriftliche Abfas-sung des Werkes bis zu seiner Fertigstellung nach den Vorgaben und Angaben des Autors übernimmt. Der Autor wird im Gegenzug Herrn Dr.
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2
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S[…] entsprechenden Einblick in relevante Unterlagen geben und ihm in ausreichendem Maße für entsprechende Gespräche zur Verfügung ste-hen (mindestens 200 Stunden). Die Einzelheit der Zusammenarbeit zwi-schen Herrn Dr. S[…] und dem Autor werden diese direkt besprechen.
3. Der Verlag sichert zu, daß
a) Herr Dr. S[…] auf das Recht der Bestimmung der Urheberbezeichnung nach § 13 Satz 2 UrhG verzichtet;
b) Herr Dr. S[…] keine eigene Urheberbezeichnung für das zu erstellende Werk anbringt, sondern dem Autor gestattet, das Werk unter seiner Autorenbezeichnung zu veröffentlichen;
c) die Fertigstellung des Werkes nur nach Zustimmung durch den Autor erklärt wird;
d) der Autor zu jeglichen Änderungen an dem – auch erst teilweise erstell-ten – Werk berechtigt ist.
[…] 9. Der Autor ist jederzeit berechtigt, die Zusammenarbeit mit Herrn Dr. S[…] zu beenden und einvernehmlich mit dem Verlag einen Ersatz für Herrn Dr. S[…] zu bestimmen. […] § 14
Projektfortführung, Tod des Autors, Kündigung
1. Sollte es dem Autor, aus nicht vom Autor zu vertretenden Gründen, ins-besondere bei Krankheit oder Tod, unmöglich sein, das Manuskript für die erste Auflage fertigzustellen, so besteht Einvernehmen zwischen den Par-teien darüber, daß Herrn [Sohn des Erblassers] die alleinige Entschei-dung darüber ansteht, ob und wie das Werk fortgeführt wird. Sämtliche Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag gehen auf [Sohn des Erblas-sers] über. […] 2. Nach dem Tod des Autors bestehen die Verpflichtungen des Verlages aus diesem Vertrag gegenüber dem durch Erbschein ausgewiesenen Erben.
[…]“
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Im Verlagsvertrag des Beklagten zu 1 fanden sich unter anderem die fol-genden Regelungen:
„[…] Präambel
Der Verlag hat einen gesonderten Vertrag mit Herrn Dr. Helmut Kohl (nach-folgend als ‚Autor‘ bezeichnet) geschlossen, um die Verlags- und bestimmte Nebenrechte an dem noch zu verfassenden Werk des Autors mit dem Ar-beitstitel ‚Helmut Kohl, ERINNERUNGEN; Autobiographie‘ (nachfolgend als ‚Werk‘ bezeichnet) zu erwerben.
Herr Dr. S[…] soll dem Autor für eine Zusammenarbeit bis zur Fertigstellung des Manuskripts des Werkes zur Verfügung stehen. […] § 1
Vertragsgegenstand
1. Herr Dr. S[…] verpflichtet sich, mindestens 200 Stunden für eine Zusam-menarbeit mit dem Autor bis zur Fertigstellung des Manuskripts zur Ver-fügung zu stehen. […]. Herr Dr. S[…] hat keinen Anspruch darauf, mit dem Autor tatsächlich bis zur endgültigen Fertigstellung des Manuskripts zusammenzuarbeiten.
2. Herr Dr. S[…] wird persönlich die schriftliche Abfassung des Werkes bis zu seiner Fertigstellung nach den Vorgaben und Angaben des Autors übernehmen.
3. […] 4. Der Verlag sichert zu, dass der Autor im Gegenzug Herrn Dr. S[…] Ein-blick in relevante Unterlagen geben und ihm in ausreichendem Maße für entsprechende Gespräche zur Verfügung steht (mindestens 200 Stun-den). Die Einzelheit der Zusammenarbeit zwischen Herrn Dr. S[…] und dem Autor werden diese direkt besprechen.
[…] 3
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§ 2
Rechtseinräumung
1. […] 2. Herr Dr. S[…] verzichtet auf das Recht der Bestimmung der Urheberbe-zeichnung nach § 13 Satz 2 UrhG.
3. Herr Dr. S[…] wird keine eigene Urheberbezeichnung für das zu erstel-lende Werk anbringt, sondern gestattet dem Autor, das Werk unter seiner Autorenbezeichnung zu veröffentlichen.
4. […] 5. Die Fertigstellung des Werkes darf nur nach Zustimmung durch den Autor erklärt werden.
6. Der Autor ist zu jeglichen Änderungen an dem – auch erst teilweise er-stellten – Werk ohne Angaben von Gründen berechtigt.
[…]“
Der Beklagte zu 1 sichtete in aufwändigen Recherchen Material, unter an-derem ihm vom Erblasser zugänglich gemachte Unterlagen, darunter die „Stasi-Akte“ des Erblassers, als geheim eingestufte Akten des Bundeskanzleramts so-wie Unterlagen aus den Archiven der Konrad-Adenauer-Stiftung. Ab 1. Oktober 1999, also beginnend noch vor Unterzeichnung der Verlagsverträge, führten der Beklagte zu 1 und der Erblasser umfangreiche Gespräche. In diesen Gesprä-chen, die im Wohnhaus des Erblassers stattfanden und mit dessen Einverständ-nis vom Beklagten zu 1 zu einem im Detail streitigen Umfang auf Tonband auf-genommen und anschließend von der Schwester des Beklagten zu 1 transkribiert wurden, sprach der Erblasser sehr ausführlich über sein gesamtes Leben, sowohl aus der Zeit vor der Übernahme höchster politischer Ämter als auch aus seiner Zeit als Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz und insbesondere aus den
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– 12 –
16 Jahren, in denen er das Amt des Bundeskanzlers bekleidete. Dabei bediente er sich teilweise einer umgangssprachlichen und mitunter auch drastischen Aus-drucksweise, wohingegen er im Rahmen der veröffentlichten Memoirenbände Äußerungen in entsprechender Schärfe und Deutlichkeit bewusst vermied. Ab Anfang des Jahres 2000 war Gegenstand der auf Tonband aufgenommenen Ge-spräche auch die Abfassung eines fiktiven Tagebuchs des Erblassers mit dem Titel „Helmut Kohl – Mein Tagebuch 1998-2000“ aus Anlass der sogenannten „Spendenaffäre“, wozu der Erblasser und der Beklagte zu 1 – jeweils gesondert – mit dem D.-Verlag Ende Juli/Anfang August 2000 weitere Verlagsverträge schlossen, die den Verlagsverträgen vom November 1999 vergleichbare Rege-lungen enthielten. Auf der Grundlage der Zusammenarbeit des Erblassers und des Beklagten zu 1 wurden bis zum Jahr 2008 zunächst, nämlich im Jahr 2000, ein fiktives „Tagebuch“ des Erblassers zur sogenannten „Spendenaffäre“ und an-schließend, nämlich in den Jahren 2004, 2005 und 2007, drei Memoirenbände, im Haupttitel jeweils als „Erinnerungen“ bezeichnet, veröffentlicht.
Im Februar 2008 musste der Erblasser die Arbeit an den Memoiren unfall-bedingt unterbrechen. In der Folgezeit kam es zwischen ihm und dem Beklagten zu 1 zu einem Zerwürfnis. Im März 2009 kündigte der Erblasser die weitere Zu-sammenarbeit mit dem Beklagten zu 1 auf. Im September 2009 einigten sich der Beklagte zu 1 und der D.-Verlag auf die Aufhebung der zwischen ihnen geschlos-senen Verträge unter Aufrechterhaltung der Rechteeinräumung für den Verlag und Verzicht des Beklagten zu 1 auf seine Benennung als Urheber. Im März 2014 gab der Beklagte zu 1 im Rahmen der Zwangsvollstreckung 200 Tonbänder an den Erblasser heraus, nachdem er zuvor zur Herausgabe sämtlicher Tonband-aufnahmen, auf denen die Stimme des Erblassers zu hören ist, verurteilt worden war.
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Am 7. Oktober 2014 erschien im H.-Verlag, einer Verlagsmarke der Be-klagten zu 3, ein vom Beklagten zu 1 zusammen mit dem Beklagten zu 2, eben-falls Journalist, als Co-Autor verfasstes, in der Folgezeit auch als Hörbuch her-ausgegebenes Buch mit dem Titel „VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE“. Zuvor, nämlich mit Schreiben vom 2. Oktober 2014, hatte der Erblasser der Beklagten zu 3 mitgeteilt, dass er mit einer Veröffentlichung von Zitaten nicht einverstanden sei und die geplante Veröffentlichung eine Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte sowie ihm zustehender Urheberrechte darstelle. Das Buch enthält eine Vielzahl angeblicher Äußerungen des Erblassers, von de-nen die Beklagten geltend gemacht haben, dass sie sämtlich anlässlich der zur Erstellung der Memoiren und des Tagebuchs geführten Gespräche zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 1 gefallen und auf Tonband aufgezeichnet worden seien. Unter anderem finden sich im Buch die folgenden von der Klägerin für unzulässig erachteten 116 Passagen, wobei die angeblich wörtlichen Zitate (hier wie im Buch selbst) im Kursivdruck gehalten sind:
1. Buchseite 21 (im Folgenden „Passage 1“):
„Meine Frau beobachtete mit sehr wachem Sinn, wie die Scheißer von heute zu den neuen Ufern übergelaufen waren. Die Verräterei der eigenen Leute störte sie sehr. Diese Vorgänge gingen dann in die Krankheit über. Das hat ihre Seele ver-letzt.“
2. Buchseite 22 (im Folgenden „Passage 2“):
„Frau Merkel konnte ja nicht richtig mit Messer und Gabel essen“ […] „Sie lungerte sich bei den Staatsessen herum, so dass ich sie mehrfach zur Ordnung rufen musste.“
3. Buchseite 22, zu Angela Merkel und Friedrich Merz (im Folgenden „Passage 3“):
„Das sind Leute, die es nicht können. Die Merkel hat keine Ahnung, und der Fraktionsvorsitzende ist ein politisches Kleinkind.“
6
– 14 –
4. Buchseite 22, zu Lothar Späth (im Folgenden „Passage 4“):
„Schaumschläger“
5. Buchseite 23, zu Norbert Blüm und dessen Beileidsschreiben zum Tod der ersten Ehefrau des Erblassers (im Folgenden „Passage 5“):
„Was interessiert mich, ob der traurig ist.“
6. Buchseite 23 (im Folgenden „Passage 6“):
„Die größte Sauerei, ein Riesenkranz, lag auf dem Friedhof, der natürlich nicht frei von Wert war: ‚Letzter Gruß für Hannelore Kohl. Der Vorstand der BASF‘ – der mich seinerzeit ausgeladen hatte. Darauf reagiere ich natürlich nicht.“
7. Buchseite 42 (im Folgenden „Passage 7“):
„Postminister Gscheidle, der im Puff zusammengeschlagen wurde, was eine große Affäre war.“
8. Buchseite 49 (im Folgenden „Passage 8“):
[…] Arafat, der beim Kanzler, beinahe unterwürfig und mitleiderregend, um finan-zielle Unterstützung der Palästinenser bat.
9. Buchseite 61 (im Folgenden „Passage 9“):
[…] schickte das Wertpapier indigniert zurück, „mit dem Ausdruck des Bedauerns, dass das Unternehmen offensichtlich jetzt Probleme habe und ich sie nicht schädigen wolle.“ Kurz: Helmut Kohl verlangte mehr. Er kannte die gängigen Sätze.
10. Buchseite 63, zu Eberhard von Brauchitsch (im Folgenden „Passage 10“):
„Eberhard hat einen Haufen Scheißdreck geschrieben, um seine Bedeutung zu vergrößern.“
11. Buchseite 64, zu Eberhard von Brauchitsch (im Folgenden „Passage 11“):
„Das ist Hass bis aufs Lebensende.“
12. Buchseite 72 (im Folgenden „Passage 12“):
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„die Arschlöcher vom Auswärtigen Amt“
13. Buchseite 73 (im Folgenden „Passage 13“):
„Gegen die jetzige Mafia, die an der Macht ist, ist nie demonstriert worden.“
14. Buchseite 73 (im Folgenden „Passage 14“):
Aber „niemand von den Rechtsradikalen hat wirklich deutlich gemacht, dass der Schröder ein Verräter ist – und die ganze Mischpoke in der Frage der deutschen Einheit. Wenn Namen auftauchen, bin ich es immer.“
15. Buchseite 84, zu Manfred Abelein (im Folgenden „Passage 15“):
„Scharfmacher in der Deutschlandpolitik. Aber er ist dann halt vergammelt. Da kann man nichts machen. Der Charakter hielt die Begabung nicht ein.“
16. Buchseite 84, zu Friedrich Zimmermann (im Folgenden „Passage 16“):
„Er war sieben Jahre Minister gewesen, von dienstags bis donnerstags. Im Herbst fanden die Treibjagden statt. Da war seine Anwesenheit dann noch redu-zierter.“
17. Buchseite 85 (im Folgenden „Passage 17“):
„Sauber war Rühe, hinterfotzig war Blüm. Nicht hinterfotzig war Albrecht, hinter-fotzig war Stoltenberg, aber nicht mutig. Hinterfotzig waren Süssmuth, Geißler und [Christa] Thoben. Walter Wallmann war nicht direkt hinterfotzig. Kiep muss man auch noch dazurechnen.“
18. Buchseite 85, zu Jürgen Rüttgers (im Folgenden „Passage 18“):
„Jede Dynamik ist weg. Dem sein Horizont ist [seine Heimatgemeinde] Pul-heim.“
19. Buchseite 85, zu Bernhard Jagoda (im Folgenden „Passage 19“):
„ein trottelhaftes katholisches Subjekt“
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20. Buchseite 85, zu Freiherr Constantin von Heeremann (im Folgenden „Pas-sage 20“):
„Die größte Niete, total ungeeignet – außer für Aachener Karneval!“
21. Buchseite 85, zu Matthias Wissmann (im Folgenden „Passage 21“):
„In einem bestimmten Zeitabschnitt war er lausbübisch, aber er war kein Großer. Er hat bei der Verjüngung gar nichts erbracht, weil er typologisch ein alter Mann ist.“
22. Buchseite 85 f., zu Angela Merkel und Volker Rühe (im Folgenden „Passage 22“):
„Diese Dame ist ja wenig vom Charakter heimgesucht.“ Da könne „man sich nur bekreuzigen“. Auch seine Vertraute Juliane Weber habe regelmäßig das Weite gesucht, sobald „die Dame Merkel“ im Anmarsch gewesen sei. Genug! Da erteilt ein Schulmeister unter seinen Zöglingen Verhaltens- und Charakternoten, die sich zumeist zwischen mangelhaft und ungenügend bewegen. Zu einer gewissen Hoffnung gibt allenfalls Volker Rühe Anlass. Der Nachfolger Heiner Geißlers im Amt des Generalsekretärs erhält von Kohl immerhin das Prädikat „eher nützlich“, wobei bereits das Epitheton ‚eher‘ genaugenommen infernalisch ist. Ein Held scheint er jedenfalls nicht eben zu sein. Bei seiner Kandidatur 1989 in Bremen hatte Rühe „natürlich die Hosen gestrichen voll“.
23. Buchseite 86, zu Hannelore Rönsch (im Folgenden „Passage 23“):
„Sie ist immer gut angezogen, war aber dem Amt intellektuell nicht gewachsen.“
24. Buchseite 86 (im Folgenden „Passage 24“):
„Ernst Albrecht hatte eine eigenartige Religiosität, war ein Mittelding von evan-gelisch, katholisch und Rudolf Steiner.“
25. Buchseite 86 (im Folgenden „Passage 25“):
„Rita Süssmuth wurde aus den Dessous herausgezogen, um der neue Staat zu sein.“
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26. Buchseite 86, zu einem im Buch nicht näher bezeichneten „Doktor L.“, einem „recht prominenten Fraktionskollegen aus dem Süddeutschen“ (im Folgen-den „Passage 26“):
„Der galt immer als Agent der DDR.“
27. Buchseite 86 (im Folgenden „Passage 27“):
„Stoltenberg machte seine Arbeit gut, war aber in allen Fragen immer dubios, weil er das Gefühl hatte, er wäre der Bessere gewesen. Aber er kam nie aus dem Loch raus.“ Er hat sich, da ist Kohl sicher, als den besseren Kanzler gesehen. Mit solchen Leuten ist nicht gut marschieren. Und Protestant war er auch noch, das kam erschwerend hinzu. „Stoltenberg war keine feste Burg, auf die man bauen konnte. Er war immer feige, in protestantischer Weise feige und falsch.“
28. Buchseite 89 (im Folgenden „Passage 28“):
„Blüm muss kurz und schmerzlos behandelt werden. Ich habe kein Problem da-mit zu sagen, dass ich mir im Nachhinein vorwerfe, dass ich ihm in der sachlichen Arbeit zu lange gefolgt bin. Aber bei ihm muss das Wort ‚Verräter‘ in irgendeiner Form rein.“ Immerhin habe sich dieser „reine Opportunist“ in letzter Sekunde von den Verschwörern losgesagt, als er sah, dass der Aufstand kaum Chancen auf Erfolg hatte. „Er ist gerade noch rechtzeitig in den Büschen verschwunden. Blüm war immer ein Wackelpeter.“
29. Buchseite 89, zu Rita Süssmuth (im Folgenden „Passage 29“):
„die Schreckschraube, die sich wegen günstiger Todesfälle in der Frauenunion hochhievte ins Kabinett.“
30. Buchseite 89 (im Folgenden „Passage 30“):
„Irgendwo muss durchschimmern, dass all diese Leute das, was sie geworden sind, nur mit meiner Unterstützung geworden sind und dass der Satz meiner Mut-ter ‚Die Hand, die segnet, wird zuerst gebissen‘ richtig ist.“
31. Buchseite 90, zu Heiner Geißler (im Folgenden „Passage 31“):
„Narr und Rechthaber“
32. Buchseite 91 (im Folgenden „Passage 32“):
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Hannelore habe ihn immer gewarnt. „Sie hatte Geißler schon früh als Verräter erkannt, sie sagte immer, dass er mich hintergehen würde. Ihre Meinung über ihn war absolut verheerend.“
33. Buchseite 91 (im Folgenden „Passage 33“):
„Es waren ja seine [Gorbatschows] nächsten Leute, die geputscht haben. Der Typ Geißler. Er wird ganz bitter, wenn er darüber redet.“ Und ein Geizkragen sei der Schwabe aus Oberndorf am Neckar gewesen, nicht zuletzt in materiellen Din-gen stets nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Das Ministeramt in Rheinland-Pfalz habe er nur deshalb, zuletzt unter Bernhard Vogel, bis zum Sommer 1977 ausgesessen, damit „er seine zehn Jahre voll hatte, um pensionsberechtigt zu sein“. Auch als er dann seinen politischen Schwerpunkt nach Bonn verlegte, sei er das alte Sparbrötchen geblieben.
34. Buchseite 91 f. (im Folgenden „Passage 34“):
Im „Langen Eugen“, in den engen Büroräumen des Bonner Abgeordnetenhau-ses, logierte, um Diäten zu sparen, mancher Parlamentarier auch über Nacht, „so wie der Generalsekretär Geißler. Der hatte die ganzen Jahre über keine Woh-nung. Der übernachtete immer in einer Abstellkammer im Adenauer-Haus. Der hat doch Geld gespart, natürlich. Eine ganze Menge übernachtete im Büro des Langen Eugen. Das war bekannt. Die zogen dort ein Feldbett raus. In diesem Loch zu übernachten, ist auch eine Frage der eigenen Kulturbemühungen. Das Haus war ja so, dass wenn einer einen Furz gelassen hat, man das vier Etagen drunter gehört hat. Da waren auch weibliche Abgeordnete. Wenn die zum Stöh-nen gebracht wurden, hat das ganze Haus mitgehört.“
35. Buchseite 92 (im Folgenden „Passage 35“):
Kurt Biedenkopf, den er seit Grundschulzeiten kennt, scheint in seinen Augen schon immer ein zwielichtiger Geselle gewesen zu sein, von Ehrgeiz und Eifer-sucht getrieben. „Der hat es nicht ertragen, dass meine Macht immer deutlicher geworden war.“
36. Buchseite 92, zu Kurt Biedenkopf (im Folgenden „Passage 36“):
„Der wechselt die Front. Das hat er immer gemacht.“
37. Buchseiten 93 f. (im Folgenden „Passage 37“):
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„Biedenkopf und ich lagen bei strahlendem Sonnenschein auf der Wiese. Er er-klärte mir dann, es sähe gut aus für die Wahl, und er wolle Verteidigungsminister werden. Ich hatte nichts dagegen.“ Zufrieden trat der Professor tags darauf die Rückreise an, ins Eigenheim nach NRW, wie er sagte.
Dann aber nahm – es gab ja noch kaum Mobiltelefone – das Schicksal seinen Lauf. „Weil ich etwas vergessen hatte, rief ich ihn am nächsten Morgen zu Hause an. Da wohnte er noch in Bochum, glaube ich. Seine damalige Frau sagte mir, er sei nicht da. Er sei noch für drei Tage unterwegs. Ich schluckte einen Moment, weil er zu mir gesagt hatte, dass er heimfährt.“ Wenig später schaut auch Strauß in Schruns vorbei. Die beiden sitzen am Pool des maroden Kurhauses. Aus dem Lautsprecher tönt der Badenweiler Marsch. „In der Zeit waren nur alte Weiber dort. Damals sah ich zum ersten Mal ganz reiche Frauen, die ihre jungen Bei-schläfer bei sich hatten.“
Schnell kommt der Bayer zur Sache. „Mit der ihm zu eigenen Süffisanz sagte er mir: ‚Pass auf mit deinem Generalsekretär. Der ist nicht sauber.‘ Und dann er-zählte er mir, dass Biedenkopf bei ihm war. Er war von mir zu Strauß nach Mün-chen gefahren und hatte die Ingrid Kuhbier dabei“, die damalige Geliebte, die Jahre später, in den Ehestand überführt, einmal Landesmutter Sachsens werden sollte. „Der Franz Josef verpetzte ja alles.“ Er genießt seinen Triumph in vollen Zügen. Kohls Generalsekretär hat, wie es scheint, einen recht dreisten Mandan-tenverrat begangen. „Wir [Strauß, seine Ehefrau Marianne und Kurt Biedenkopf] waren zusammen mit der Ingrid in der Sauna. Ich solle ja nicht glauben, dass Biedenkopf mein Mann sei. Das stimmte leider. Ich hatte zum ersten Mal ge-merkt, dass er hinter meinem Rücken ganz schön falsch war, dass er mir – ohne Not – ins Gesicht hinein gelogen hatte.“ Für das verwerfliche Delikt zieht Kohl zwei seiner liebsten Schimpfworte aus dem Köcher: „Das war hinterfotzig und dreckig. Punkt. Aus. Und Feierabend!“
38. Buchseiten 94 f., zu Lothar Späth (im Folgenden „Passage 38“):
„Er ist natürlich einer der Dreckigsten. Aber die Frage bleibt, ob wir ihn überhaupt erwähnen sollten.“ […]. „Sein Verhalten war für mich degoutant, obwohl ich kein Filbinger-Fan bin. Aber das war eine Nuance zu clever.“ […] im Ernst […]. „Das ist vielleicht das falsche Wort“, kontert Kohl und metaphert unbestreitbar geist-reich: „Späth hatte dafür gesorgt, dass die Leiter fehlte, auf der er hätte herunter-steigen können. Insofern fiel er.“
Immer und ewig habe Späth aus dem Verborgenen heraus agiert und auch im Umgang mit der DDR nicht die gebotene Distanz gewahrt. Da sei, sagt Kohl, wohl so manche vertrauliche Information über die deutsch-deutsche Grenze gelangt
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und im Osten gerne abgeschöpft worden. „Ich bin sicher, dass Lothar Späth lie-ferte, natürlich nicht für Geld. Aber als großer Butler hatte er unentwegt Spezial-kontakte. Schon vor der De-Maizière-Wahl duzte er sich mit dem Berghofer von Dresden. Bevor ich an der Kirche war im Dezember 1989 duzte er sich schon mit ihm. Ich bin ganz sicher, dass da noch sehr viel mehr war.“
39. Buchseite 95, zu Manfred Zach (im Folgenden „Passage 39“):
„Späths Barde“
40. Buchseite 95 (im Folgenden „Passage 40“):
„Der Späth hat sich dieser Mischpoke angeschlossen. Sie haben ihn hochge-schrieben. Dann haben sie ihn fallen lassen und schrieben plötzlich die ganzen Sauereien bis dort hinaus.“
41. Buchseite 96 zu Lothar Späth und Jenoptik (im Folgenden „Passage 41“):
„Das endet im Fiasko. Denkt an mich. In diesem Unternehmen ist keine Spur von Jubel mehr.“
42. Buchseiten 96 f., zu Christian Wulff (im Folgenden „Passage 42“):
„der auf ganz jung macht“ […] Jetzt, bei der Arbeit an den Erinnerungen, bietet sich Gelegenheit, um beherzt zurückzubeißen. „Das ist ein ganz großer Verräter. Gleichzeitig ist er auch eine Null. Er hat nur Pech. Neulich saßen eine ganze Reihe Niedersachsen in einem Restaurant. Ich ging vorbei, und einige sehr an-ständige Leute sagten, ich solle mich doch ein bisschen dazusetzen. Das tat ich und sagte: ‚Ich mache das, aber nur unter der Bedingung, dass ihr eurem Lan-desvorsitzenden ausrichtet, dass er vierzehn Tage nach der nächsten Landtags-wahl einen Brief von mir bekommt, in dem ich ihm zu seiner Wahl zum Vizeprä-sidenten vom Landtag gratuliere. Der wird das. Das ist voraussehbar.'“ Nun denn, Christian Wilhelm Walter Wulff ist dann 2003, der Unkenrufe zum Trotz, Minister-präsident geworden – aber letztlich doch dramatisch gescheitert, […]: Er wird wohl als Null in die Geschichtsbücher eingehen.
43. Buchseite 97, zu Bruno Heck (im Folgenden „Passage 43“):
„Meine Frau mochte ihn nicht. Ein Mann, der seiner Frau sechs Kinder hinsetzt und dann dauernd weggeht, hatte bei ihr kein Erbarmen.“
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44. Buchseite 97, zu Bernhard Vogel (im Folgenden „Passage 44“):
„Bernd Vogel war leider gar nicht autoritär, und er kam ohne Frau. Das sah man ihm auch an. Er ist bis ins Alter typologisch Junggeselle geblieben. Er gehört zu jenen Menschen, die vom Frühjahr direkt in den Herbst gehen. Er hat keinen Sommer. Er hat jugendlich spritzig begonnen. Der Sommer fiel aus. Und in den letzten vier Jahren in Mainz war gar nichts mehr.“
45. Buchseite 98 (im Folgenden „Passage 45“):
Und zumindest die Art, wie er das sagt, ist schwer erträglich. „Bernhard Vogel hat furchtbar gelitten unter dem Schatten und hat nichts gemacht. Man kann auch boshaft sagen, das Lachen und die Lebensfreude sind aus der Staatskanzlei aus-gezogen. Die haben ja keine Feste gefeiert. Die haben keine Weiber angefasst. Also auch hier waren sie der Lebenslust abhold. Die haben natürlich auch was getrunken. Aber man konnte keine Feste feiern mit der Hanna-Renate Laurien. Das konnte man nur machen, wenn der Boss da war, der gesagt hat: ‚Laurien-chen, du hältst jetzt dein Maul und trinkst noch einen weiteren Schnaps!‘ Das hat sie dann gemacht. Aber der Bernhard Vogel hätte das ja nie zu ihr gesagt. Im Ministerium war sie ja stärker als der Minister, von ihrer ganzen Art her.“
46. Buchseite 99 (im Folgenden „Passage 46“):
„Ich kann gar nicht verstehen, wie der Schächter unter dem großen Busen der Laurien überhaupt Luft schnappen konnte.“
47. Buchseite 99, zu Kristina Köhler, später Kristina Schröder (im Folgenden „Passage 47“):
„Ich will ihr nicht zu nahe treten, sie ist durchaus intelligent. Sie weiß genau, wie man die Sachen einsetzt, dass die Journalisten glasige Blicke bekommen.“
48. Buchseite 102 (im Folgenden „Passage 48“):
„Es war nicht illegal, was ich machte.“ Leute wie Norbert Blüm, […], seien un-dankbare „Mistkerle. Der Blüm hat doch die Sozialausschüsse finanziell absolut ins Elend geritten. Der hat sich doch nie um etwas gekümmert. Und ich musste meinen Kopf hinhalten.“
49. Buchseite 102, zu Peter Müller (im Folgenden „Passage 49“):
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Kohl schlägt zurück: Müllers Landesverband habe doch nur dank des Großmuts der Bundespartei überlebt. „Müller ist charakterlich wirklich eine Null. Wie der sich in der Spendengeschichte aufgeregt hat! Er war schon damals dabei, als bei-spielsweise dieses Genie Töpfer, dieser Ökonom von großen Gnaden, der jetzt in afrikanischen Höhlen herumlungert, Landesvorsitzender war. Müller kennt doch die Verhältnisse und weiß, wer ihm geholfen hat. Er hätte ja nicht sagen müssen, dass sie dankbar sind, sondern er hätte in Erinnerung an damals das Maul halten können.“
50. Buchseiten 102 f. (im Folgenden „Passage 50“):
„Nach unserer Satzung müssen die Landesverbände eine Summe X entspre-chend der Mitgliederzahl an die Bundespartei abliefern. Die Saarländer waren seit Röders Abtritt immer bankrott gewesen. Töpfer war der größte Bankrotteur von allen. Auf dem Bundesparteitag musste im Rechenschaftsbericht vorgetra-gen werden, dass alle Delegierten, die gewählt wurden, ihre Beiträge abgeführt haben. Die saarländischen Beiträge aber waren nicht abgeführt. Das war auf ei-nem Parteitag vor einer Saarwahl, und den Delegierten wurde dann mitgeteilt, dass sie nicht stimmberechtigt seien. Das war sehr werbewirksam für die Saar-brücker Zeitung. Die saarländische Partei hinterließ daraufhin einen Schuld-schein, den die Bundespartei anerkannte. Das hieß: Juristisch gesehen war der Rückstand bezahlt. Wir hatten nun einen Schuldschein, aber eben noch lange kein Geld.“
51. Buchseite 103 (im Folgenden „Passage 51“):
„Die Merkel hat das doch nie gemacht. Im Landesverband hatte sie einen Sau-stall, und der Bundesgeschäftsführer ist ein bürokratischer Ochse.“
52. Buchseite 103 (im Folgenden „Passage 52“):
„Wenn ich den Peter Müller sehe, wie er sich hervortut. Er saß doch damals da-bei“, als die Saar-CDU Geld einforderte.
53. Buchseite 103 (im Folgenden „Passage 53“):
Und der Töpfer sei schon im Bundeskabinett eine Fehlbesetzung gewesen: „Als Minister taugte er nichts. Er war ein großer Sprücheklopfer und verbrachte viel Zeit damit, abends in Bonn mit der ganzen journalistischen Mischpoke Karten zu spielen, was er sehr gut kann.“
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54. Buchseite 109, zu Gerhard Schröder (im Folgenden „Passage 54“):
„Aus dem wird auch in hundert Jahren nichts. Sein Problem ist, dass er nicht wirklich Gefühle der Freundschaft empfindet. Er ist von Hannover weg und hat nahezu alle sitzen lassen, abgesehen von Steinmeier. Er ist kalt wie ein Fisch. So wird er auch in einigen Jahren abgehen. Dann lässt er das Messer in der Seite stecken und geht ans große Geld.“
55. Buchseite 109, zu Franz Müntefering (im Folgenden „Passage 55“):
„Man kann ja nicht sagen, dass der Generalsekretär der SPD ein Ehrenmann ist.“
56. Buchseite 109, zu Herta Däubler-Gmelin (im Folgenden „Passage 56“):
„die fanatische Justizministerin“, scheint ihm manchmal „von blindem Hass ge-trieben“
57. Buchseite 109, zu Walter Momper (im Folgenden „Passage 57“):
„ein Rüpel“
58. Buchseite 109, zu Michael Naumann (im Folgenden „Passage 58“):
„Schwätzer vor dem Herren.“
59. Buchseite 110 (im Folgenden „Passage 59“):
[…] Hans-Jochen Vogel, der „praktisch nach dem Abstillen in die Politik aufstieg“, bemängelte er, dass der ein Mensch sei, „der immer im Dienst ist“, was freilich eher als Marotte, als Sünde der lässlichen Art zu Buche schlägt. So sind sie, die Linken, die nun einmal „sinnlich gestört sind. Das sind keine Menschen, die aus dem Vollen schöpfen. Das sind asketische Typen, die vor allem ein schlechtes Gewissen haben. Bei denen wird man bestraft, bevor man gesündigt hat.“
60. Buchseite 110 (im Folgenden „Passage 60“):
„Wenn der Stolpe zur CDU gegangen wäre, hätte er sich niemals länger als ein halbes Jahr halten können. Wenn einer belastet ist, dann ist er das.“
61. Buchseiten 112 f. (im Folgenden „Passage 61“):
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Jürgen Trittin, der damalige Bundesumweltminister, kommandiere noch immer „Truppen von barbarischen Schlägern“.
62. Buchseite 113, zu Christian Ströbele (im Folgenden „Passage 62“):
„ein Subjekt“
63. Buchseite 113, zu Petra Kelly (im Folgenden „Passage 63“):
„diese Agentin“
64. Buchseite 115, zu Willy Weyer (im Folgenden „Passage 64“):
weil der „für alles, was im Leben gut und schön ist, zu haben war“.
65. Buchseite 116, zu Hildegard Hamm-Brücher (im Folgenden „Passage 65“):
„diese Spezialziege, eines der bösartigsten Weiber in der Geschichte der Repub-lik“
66. Buchseite 116 (im Folgenden „Passage 66“):
Walter Scheel nennt er gern den „Hoch-auf-dem-gelben-Wagen“. Kohl schätzt ihn überhaupt nicht. Scheel habe schon in den siebziger Jahren, als es in Moskau die Ostverträge auszuhandeln galt, vor allem gewaltige Wodka-Partys geschmis-sen. „Gegen Bahr war der Außenminister Scheel schwach. In Moskau spielte Bahr die Geige. Und nicht Scheel.“
67. Buchseite 116, zu Liselotte Funcke (im Folgenden „Passage 67“):
„die Frau, die mich immer gehasst hat“ […] Die sei „bei allem, was im Leben schön und gut ist, zu kurz gekommen. Sie hätte eine evangelische Äbtissin wer-den können, aber dann hätten sich die Nonnen alle umgebracht.“
68. Buchseite 117, zu Otto Graf Lambsdorff (im Folgenden „Passage 68“):
Vor einem vernichtenden Urteil des Altkanzlers bewahrt ihn das nicht: Der Graf – „einer der indiskretesten Leute, die ich in meinem Leben kennengelernt habe. Der kann das Wasser nicht halten“ – sei letztlich ein Büttel des Großkapitals ge-wesen. „Der war immer in großem Umfang unterwegs im Geldtransport. Für die Masse der Bevölkerung tat er gar nichts, sondern nur für die Banken.“ Lambsdorff
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habe „das Thema Marktwirtschaft ganz groß geschrieben und dann mit kleiner Schrift das Wort sozial hinzugefügt.“
69. Buchseite 123, zur Beerdigung von Hannelore Kohl (im Folgenden „Passage 69“):
[…], mitgenommen aber auch von einem heftigen Familienstreit, der dem Got-tesdienst im Dom zu Speyer vorausgegangen war. „Die Beerdigung war ja am Mittwoch. Und in der Nacht von Montag auf Dienstag hatten wir hier die schlimmste Aufführung.“ Kanzler Gerhard Schröder hatte sich zur Trauerfeier an-gesagt. Das passte den Söhnen Peter und Walter überhaupt nicht. Sie drohten damit, es zum Skandal kommen zu lassen. „Sie sagten: ‚Wir wollen dir nur sagen, wir werden nicht nach Speyer in den Dom gehen. Wir werden nicht dabei sein, wenn der Schröder an den Sarg geht. Du musst ihm das verbieten. Es ist im Sinn der Mama.‘ Dann ist das natürlich eskaliert, vor allem beim Walter, der mehr der Alte ist und sofort explodiert.“ Selbst in den vermutlich schwersten Stunden sei-nes Lebens war Kohl als konflikterprobter Kämpfer gefordert. Am Ende der quä-lend langen Auseinandersetzung („das ging Stunde um Stunde!“) spricht der Pat-riarch ein Machtwort: „‚Wenn ihr nicht geht, dann gehe ich auch nicht. Aber ihr müsst wissen, das ist ein ungeheurer Eklat. Ihr schadet eurer Mutter.‘ Das wollten sie nicht und sind dann von dem Trip weggekommen.“
70. Buchseite 130, zu Hannelore Kohl (im Folgenden „Passage 70“):
„In ihren Augen war Mitterand zu viel gallischer Hahn, was sie nicht mochte.“
71. Buchseite 143, zu Franz Josef Strauß (im Folgenden „Passage 71“):
Mit den politisch Verfolgten aber, gerade in den afrikanischen Staaten, durfte man ihm nicht kommen. „Er war Lichtjahre davon entfernt, etwas für Nelson Mandela zu tun.“ Und für die Vereinten Nationen hatte er nur „Spott und Hohn“.
72. Buchseite 144, zu Hans-Dietrich Genscher (im Folgenden „Passage 72“):
„Dabei hat er alles in seinem Sinne durchgestochen.“ Immer auf Staatskosten, versteht sich. „Er hatte ja einen Riesenetat, persönlich allerdings kein Geld.“
73. Buchseite 144, zu Hans-Dietrich Genscher (im Folgenden „Passage 73“):
„nie einen Finger krumm machte“
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74. Buchseiten 144 f. (im Folgenden „Passage 74“):
„Der Genscherismus bestand in seiner Personalpolitik. Er tat für die FDP über-haupt nichts, auch nichts für die CDU und nichts für die SPD. Er suchte Leute, die ihm treu dienten und möglichst kein Rückgrat hatten. Es gab Zeiten, in denen er nur CDU-Staatssekretäre hatte. Herr Minister vorne und hinten! Das war ihm recht.“
75. Buchseite 145 (im Folgenden „Passage 75“):
„Dass Genscher kein Stehvermögen hatte, war nicht neu.“
76. Buchseite 146, zu Hans-Dietrich Genscher (im Folgenden „Passage 76“):
„Als die Luft eisenhaltig wurde, hatte er nicht den Mut, sich hinzustellen.“
77. Buchseite 152, zu Friedhelm Ost (im Folgenden „Passage 77“):
„Der Ost hat das gemacht. Der Faulpelz hat den Text nicht richtig angeguckt.“
78. Buchseite 163 (im Folgenden „Passage 78“):
„Eine Präsidentschaft der Belanglosigkeit! Der Hass gegen Scheel in unserer Partei war ungeheuer groß.“
79. Buchseite 163 (im Folgenden „Passage 79“):
„Scheel war eine charakterliche Null und brachte nichts ein außer seiner NSDAP-Mitgliedschaft. Er war länger in der NSDAP als Carstens, aber über Carstens wurde geredet.“
80. Buchseiten 164 f., zu Richard von Weizsäcker (im Folgenden „Passage 80“):
„Kurz vor der entscheidenden Schlacht über die Nachrüstung schrieb er mir per Hand einen Brief. Es gab also keine Kopie. Er schrieb mit dürren Worten, dass – Nachrüstung hin oder her – seine Kandidatur als Bundespräsident nun überfällig sei. Das Wichtigste war nicht, wie wir die Nachrüstung überstehen.“
81. Buchseite 165 (im Folgenden „Passage 81“):
„Der Weizsäcker brauchte stets ein goldenes Tablett, mit Intarsien ausgelegt.“
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82. Buchseite 165, zu Richard von Weizsäcker (im Folgenden „Passage 82“):
„Mir war klar, dass Richard sich selbst für den Klügsten, Besten und Allermora-lischsten hält. Nie hat er einen Zweifel aufkommen lassen, dass er einer der be-deutendsten Männer der Gegenwart war. Und dass sonst im Prinzip nur Dumm-köpfe unterwegs sind. Dass er auch den Kanzler gemacht hätte, versteht sich.“
83. Buchseiten 165 f., zu Richard von Weizsäcker (im Folgenden „Passage 83“):
„Als er abging, ist er in ein tiefes Loch gefallen. Er machte die bittere Erfahrung, dass nach ihm einer kam, der ihn wiederum völlig hat verblassen lassen. Es rächt sich alles auf Erden.“ Mag sein auch ein feindseliges Urteil wie dieses.
84. Buchseite 166, zu Richard von Weizsäcker (im Folgenden „Passage 84“):
„Überall, wo etwas zu holen ist, ist er da. Der hatte übrigens auch immer Auf-sichtsratsposten.“
85. Buchseiten 167 f. (im Folgenden „Passage 85“):
Dieser Bundespräsident, empört sich Kohl, habe ausgerechnet ihn, seinen alten Mentor, schnöde verraten. 1989 habe er, wenn auch verdeckt, bei den „Bremer Stadtmusikanten“ mitgemacht. „Weizsäcker und Kiep, dieses Gesocks, waren immer dabei, wenn es gegen mich ging.“ Beide zählten, wie Kohl ein andermal sagt, zu den „Opas der Unterstützergarnitur.“ […] Beim Ringen um die Wieder-vereinigung sei von Weizsäcker ein Totalausfall gewesen. „Er war in keiner Weise mit dem Herzen bei diesem Thema. Er gehörte zu jenen, die sich mit der Teilung abgefunden hatten.“ Immer wieder habe er quergeschossen, und, anstatt sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, nach der Maueröffnung erst einmal die völkerrechtliche Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze verlangt. […] Wundert es, dass Kohl sich derlei präsidiale Maßregelung verbittet? Im Memoi-rengespräch wird er deutlich: „Ja, es gab Zeitgenossen wie Richard von Weizsäcker, der zwar aufgrund der Tatsache, dass die CDU-Wähler die CDU stark gemacht haben, Bundespräsident wurde, sich dann aber keinen Deut um die Meinung unserer Anhänger kümmerte. Das war ihm völlig gleichgültig. Er hatte seine Pensionsberechtigung bis zum Ende seines Lebens aus der CDU. Er konnte ja leicht auf die Vertriebenen verzichten. Aber auch die Stimmen der Ver-triebenen hatten ihn zum Bundespräsidenten gemacht. Doch das war ihm ja völ-lig egal. Ich konnte und wollte mir einen solchen Weizsäcker-Patriotismus nicht leisten.“ Die Verbitterung ist groß, […] – 28 –
86. Buchseite 169, zu Richard von Weizsäcker (im Folgenden „Passage 86“):
Das Bild trauter Harmonie wird im Oggersheimer Keller ein für alle Mal zertrüm-mert: „Er hatte zu unseren Leuten überhaupt keinen Kontakt mehr. Er hatte es nicht nötig. Mein engeres Umfeld war Luft für ihn. Er hat in zehn Jahren nicht ein einziges Mal mein Büro betreten, obwohl er ein Dutzend Mal davorstand, denn er ging regelmäßig zu den Gemäldeausstellungen. Aber vorbeigeschaut hat er nie, obwohl die Leute dort rein- und rausgingen.“ Mit Marianne von Weizsäcker lief es offenkundig nicht besser.
87. Buchseite 171, zu Steffen Heitmann (im Folgenden „Passage 87“):
„Ich lud ihn mit seiner Frau zu uns ein, und wir verbrachten einen Tag miteinan-der. Als sie abgefahren waren, schaute meine Frau mich an und sagte: ‚Du glaubst doch nicht im Ernst, dass die beiden das Bundespräsidentenpaar werden können.‘ Das war ein vernichtendes Urteil, aber es war so.“
88. Buchseite 171, zu Johannes Rau (im Folgenden „Passage 88“):
„diese absurde Figur, die sich da ins Amt des Bundespräsidenten geschlichen hat.“ Kohls Unwillen erregt vor allem Raus pastoraler Ton, die langjährige Nähe zur Friedensbewegung, „die unerträgliche Verknüpfung von Religion und Politik.“ Im abschließenden Band der Memoiren – verspricht er – „werde ich mich über den Rau auslassen“.
89. Buchseite 171, zu Präsidenten (im Folgenden „Passage 89“):
„diese Arschbackengesichter“
90. Buchseite 177 (im Folgenden „Passage 90“):
„Es ist doch dem Volkshochschulhirn von Thierse entsprungen, dass das auf den Straßen entschieden wurde.“ Ausgerechnet Wolfgang Thierse, „dieses Subjekt“, „der mit der Kerze. Der Rauschebart, der sich durch die Geschichte lügt, dass es eine Schande ist!“
91. Buchseite 181 (im Folgenden „Passage 91“):
„Ein Idiotentermin! Süssmuth und die ganzen Ärsche wollten den 9. November nehmen, von der Reichskristallnacht über die deutsche Kapitulation im Ersten Weltkrieg.“
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92. Buchseite 183 (im Folgenden „Passage 92“):
Margaret Thatcher zum Beispiel nickte auf den G7-Gipfeln gern ein, wenn es spät wurde. „Dann kippte sie beinahe vom Stuhl und hielt ihr Täschchen.“
93. Buchseite 183 (im Folgenden „Passage 93“):
„Waigel und Genscher wollten immer ins Bett.“
94. Buchseite 183, zu Hartmut Mehdorn (im Folgenden „Passage 94“):
„Kein Felsbrocken, sondern ein Riesenkiesel!“
95. Buchseiten 183 f., zu Lady Diana (im Folgenden „Passage 95“):
„Ihre Heirat war eine absolut idiotische Sache. Wenn sie sofort Königin gewesen wäre, hätte sie im Bett ein bisschen gemacht, woraus drei Prinzen entstanden wären – und damit wäre ihre nationale Aufgabe erfüllt gewesen. So musste die Frau herumreisen, musste mit Bürgermeistern reden und ist verkümmert.“
96. Buchseite 184 (im Folgenden „Passage 96“):
Das englische Königshaus ist ihm ohnehin so fern wie der Mond. Wie kann sich ein Mann nur so aufführen wie Prinzgemahl Philip? Das Treffen mit Thronfolger Charles war ja durchaus freundlich, aber „der Edinburgh ist ein Dummkopf.“
97. Buchseiten 187 f. (im Folgenden „Passage 97“):
„Die Industrie hat doch nichts mehr drauf. Das sind Leute, die nichts mehr wagen und riskieren. Das ist doch eine Freizeitgesellschaft geworden. Wer golft denn freitagmittags in Marbella und fliegt mit dem Firmenflugzeug dorthin? Das ist doch diese ganze Mischpoke. Schauen Sie sich einmal die Banken an! Was für eine Bank ist denn die Deutsche Bank geworden? Ist ihr Vorstand noch Elite? Die bauen doch eine Scheiße nach der anderen!“
98. Buchseite 189 (im Folgenden „Passage 98“):
Viele Kollegen hätten das allerdings anders gesehen: „Dem Fritz Zimmermann liefen sie mit gezogener Maschinenpistole hinterher. Einer, der wirklich darunter litt wie ein Hund, dass er nicht von Maschinenpistolen umgeben war, war Kiep. Da war ja damals der Schuss in der Sauna, als es hieß, das sei ein Terrorismus-anschlag gewesen.“ Letztlich arme Würstchen seien diese „Leute, für deren
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Selbstwertgefühl die Präsenz eines Begleitkommandos wichtig ist, weil das die Aura mit sich bringt, bedeutend zu sein.“
99. Buchseite 192 (im Folgenden „Passage 99“):
Aber ausgerechnet für die Waffen-SS zeigt er reichlich Verständnis. „Das waren Feldsoldaten, anständige Leute!“ Er meint dafür sogar Beweise zu haben. Von denen er sagt, dass sie „wie eine Bombe einschlagen“ würden. Denn auch der Sozialdemokrat Kurt Schumacher habe „in einem Aufruf von 1953 die Soldaten der Waffen-SS aufgefordert, die SPD zu wählen“. So schlimm also können Himm-lers Getreue wohl nicht gewesen sein. […] Im Gegensatz zu Kohl […].
100. Buchseite 193 (im Folgenden „Passage 100“):
„Warum wird denn jetzt dauernd die Gefahr von rechts beschworen? Irgendwel-che Bänkelsänger rotten sich zusammen und machen ein Konzert gegen rechts. Es gibt keine Gefahr von rechts. Wo denn?“
101. Buchseite 194 (im Folgenden „Passage 101“):
Und der 94. Bischof des Erzbistums Köln, der erzkonservative Joachim Kardinal Meisner, ist ihm ein Greuel: „Der Kardinal hat keine Ahnung. 80 Prozent des Klerus würden ein Kreuz machen, wenn er verschwände.“ […] als Kohl dies sagte […].
102. Buchseite 195 (im Folgenden „Passage 102“):
„Es hat mich besonders berührt, wie unsäglich gemein sich der Küng in den letzten Monaten über mich geäußert hat. Er ist einer der Dreckigsten von allen.“
103. Buchseite 198 (im Folgenden „Passage 103“):
„Mein Problem ist der Jüdische Weltkongress. Denn das ist der Ausbund an Schäbigkeit.“ Immer wieder kommt Kohl auf den gern in die Offensive gehenden Verband zurück. Da ist viel ohnmächtige Wut zu spüren. Hart an der Grenze zum antisemitischen Klischee, versteigt sich Kohl zu der These: „Überall, wo man in die Räder jüdischer Institutionen kommt, ist man als Deutscher sowieso in einer schwierigen Lage.“
104. Buchseite 199, zu Kurt Waldheim (im Folgenden „Passage 104“):
„anständiger Mann, der viel zu feige war, um unanständig zu sein“
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105. Buchseite 202 (im Folgenden „Passage 105“):
„Mein Berliner Fahrer hat jetzt wieder die Grippe. Vierzehn Tage Stress! Ein fauler Ossi.“
106. Buchseite 211, zu Martin E. Süskind (im Folgenden „Passage 106“):
„das Letzte, was es gibt“
107. Buchseite 211, zu Manfred Bissinger (im Folgenden „Passage 107“):
„ein Subjekt“
108. Buchseite 211, zu Hans Leyendecker (im Folgenden „Passage 108“):
„dieser Gangster, der gegen mich operiert hat“
109. Buchseite 211, zu Mainhardt Graf von Nayhauß (im Folgenden „Passage 109“):
wird als „Hauptverderber in Schrift und Ton und erbärmliche Figur“ verunglimpft.
110. Buchseite 212, zu Friedhelm Ost (im Folgenden „Passage 110“):
„Dass der so unfähig war, hätte ich nie geglaubt.“
111. Buchseite 212, zu Peter Boenisch (im Folgenden „Passage 111“):
Der habe nicht einmal die Herausgeber der FAZ gekannt.
112. Buchseiten 212 f. (im Folgenden „Passage 112“):
„Ein genialer Pressechef muss unter den Bedingungen der Bundesrepublik ein Stück Schurke sein, weil die anderen eben auch Schurken sind. Wenn andere erpressen und man nicht dagegen erpresst, ist man rettungslos verloren. Na-türlich kann ein guter Pressechef auch den Spiegel erpressen. Darüber gibt es keinen Zweifel.“
113. Buchseite 213 (im Folgenden „Passage 113“):
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„Wolfgang Bergsdorf ist ein super Mann, aber doch keiner, der jemanden be-sticht. Der wäre ja dreimal zum Pater beichten gegangen.“
114. Buchseite 229 (im Folgenden „Passage 114“):
Auch Mitterand „hielt Reagan für einen Trottel“.
115. Buchseite 153 (im Folgenden „Passage 115“):
„Gorbatschow ging über die Bücher und musste erkennen, dass er am Arsch des Propheten war und das Regime nicht halten konnte.“
116. Buchseite 154 (im Folgenden „Passage 116“):
„Von Gorbatschow bleibt übrig, dass er den Kommunismus abgelöst hat, zum Teil wider Willen, aber de facto hat er ihn abgelöst. Ohne Gewalt. Ohne Blut-vergießen. Sehr viel mehr, was wirklich bleibt, fällt mir nicht ein.“ […] „Ja sicher. Er ist gescheitert, gewiss.“
Mit seiner Klage hat der Erblasser die Beklagten – soweit im Revisionsver-fahren noch von Relevanz – darauf in Anspruch genommen, die wörtliche oder sinngemäße Veröffentlichung und Verbreitung der dargestellten 116 Buchpassa-gen im Buch oder anderweitig zu unterlassen. Zur Begründung hat er im Wesent-lichen ausgeführt, Veröffentlichung und Verbreitung der genannten Passagen verletzten ihn in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht; dem Beklagten zu 1 seien Veröffentlichung und Verbreitung der angegriffenen Passagen darüber hin-aus bereits aufgrund einer ihn treffenden vertraglichen Verschwiegenheitsver-pflichtung untersagt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Nachdem der Erblasser während des Berufungsverfahrens verstorben war, hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil auf die Berufung der Beklagten zu 2 und zu 3 – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmit-tels – insoweit abgeändert, als es die Unterlassungsverpflichtung dieser beiden Beklagten hinsichtlich der Passagen 9, 14, 22, 27, 28, 32 bis 35, 37, 38, 42, 45,
7
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48, 49, 52, 53, 56, 59, 61, 64, 66 bis 69, 71, 72, 83, 85, 86, 88, 90, 92, 96, 98, 99, 101, 103, 109 und 114 unter Abweisung der weitergehenden Klage auf die wörtliche Veröffentlichung oder Verbreitung der in den Textpassagen enthaltenen wörtlichen Zitate beschränkt und die gegen die Beklagten zu 2 und 3 gerichtete Klage hinsichtlich Passage 8 insgesamt abgewiesen hat. Die Berufung des Be-klagten zu 1 hat es zurückgewiesen. Die Revision hat es „im Hinblick auf die Verurteilung der Beklagten zu 2) und 3)“ zugelassen. Die vom Beklagten zu 1 geführte Nichtzulassungsbeschwerde hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 23. März 2021 zurückgewiesen.
Der Beklagte zu 2 ist während des Revisionsverfahrens verstorben. Mit Beschluss vom 14. Oktober 2020 hat der erkennende Senat das Verfahren im Verhältnis zu ihm auf Antrag seines Prozessbevollmächtigten gemäß § 246 ZPO ausgesetzt. Das Verfahren ist bislang nicht wiederaufgenommen worden.
9
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Entscheidungsgründe:
A.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in juris und unter BeckRS 2018, 10541 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung – soweit im Re-visionsverfahren noch von Interesse – im Wesentlichen ausgeführt, die Berufung der Beklagten zu 2 und zu 3 habe nur in geringem Umfang Erfolg. Die Beklagten zu 2 und zu 3 seien – da aufgrund des zwischenzeitlichen Todes des Erblassers nicht mehr über einen lebzeitigen Unterlassungsanspruch zu entscheiden gewe-sen sei – nur insoweit zur Unterlassung verpflichtet, als sie Äußerungen des Erb-lassers in wörtlicher Form wiedergegeben oder aber Fehlzitate beziehungsweise sogenannte Sperrvermerkszitate veröffentlicht hätten.
I. Der Beklagte zu 2 unterliege einer deliktischen Unterlassungspflicht aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG wegen Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers.
1. Den Beklagten zu 1 treffe eine umfassende Verschwiegenheitspflicht als Nebenpflicht aus einer mit dem Erblasser konkludent abgeschlossenen ver-traglichen Rechtsbeziehung sui generis mit Anlehnung an das Auftragsrecht, die sich sowohl auf die eigenmächtige Verbreitung der Tonbandaufnahmen als auch auf die ihm als „Ghostwriter“ anvertrauten Informationen und Einschätzungen des Erblassers erstrecke, soweit diese der Öffentlichkeit nicht vorbekannt gewe-sen seien. Zwar bestünden aus dieser vertraglichen Beziehung keine Ansprüche gegen den Beklagten zu 2, weil er in die vertragliche Beziehung nicht eingebun-den gewesen sei, sondern den Kontakt zum Beklagten zu 1 beziehungsweise zu der in dessen Besitz befindlichen Stoffsammlung mit den Erinnerungen des Erb-lassers erst im Rahmen des gemeinsamen hier streitgegenständlichen Buchpro-
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jektes gefunden habe. Die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Äußerun-gen unter Bruch der den Beklagten zu 1 treffenden Verschwiegenheitspflicht, die dem Beklagten zu 2 aus den maßgeblichen Umständen der Gewinnung der Äu-ßerungen bekannt gewesen sei, habe zu Lebzeiten des Erblassers aber eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts dargestellt. Der Beklagte zu 2 habe insofern eigenständig die Privatsphäre des Erblassers in Form seiner Geheim- beziehungsweise Vertraulichkeitssphäre verletzt. Zwar habe teilweise durchaus ein öffentliches Informationsinteresse an der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Zitate bestanden. Dieses habe aber die Interessen des Erblassers an der Geheimhaltung der betreffenden Äußerungen unter den er-kennbaren besonderen Umständen des vorliegenden Falles nicht überwiegen können.
2. Der zu Lebzeiten des Erblassers bestehende persönlichkeitsrechtliche Schutz in Form eines Unterlassungsanspruchs aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG sei durch den Tod des Erblassers am 16. Juni 2017 nicht entfallen, sondern gründe sich nunmehr auf die Verletzung seines postmortalen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 GG. Der damit geltend gemachte Schutz der Menschenwürde des Erblas-sers umfasse jedoch – enger als der Schutz des allgemeinen Persönlichkeits-rechts eines Lebenden – lediglich Unterlassungsansprüche gegen Fehl- und Sperrvermerkszitate sowie unter dem Gesichtspunkt der Bloßstellung der „inten-siv verdinglichten Persönlichkeit“ Unterlassungsansprüche gegen die Wieder-gabe wörtlicher Äußerungen des Erblassers. Danach bestehe kein Unterlas-sungsanspruch hinsichtlich Passage 8, die kein Zitat des Erblassers enthalte. Hinsichtlich der Passagen 9, 14, 22, 27, 28, 32 bis 35, 37, 38, 42, 45, 48, 49, 52, 53, 56, 59, 61, 64, 66 bis 69, 71, 72, 83, 85, 86, 88, 90, 92, 96, 98, 99, 101, 103, 109 und 114, in denen wörtlich zitierte Bemerkungen des Erblassers mit eigenen
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Äußerungen der Beklagten zu 1 und 2 vermischt seien, erstrecke sich der Unter-lassungsanspruch allein auf die wörtlichen Zitate. Passage 111 bilde schließlich eine Ausnahme. Zwar werde die Äußerung des Erblassers hier auch nur in indi-rekter Rede wiedergegeben; aufgrund ihrer Einbindung in den Gesamtkontext sei sie rechtlich aber wie ein wörtliches Zitat des Erblassers zu behandeln.
3. Auch sei die Klägerin hinsichtlich der auf der Grundlage des postmorta-len Persönlichkeitsrechts des Erblassers geltend gemachten Unterlassungsan-sprüche aktivlegitimiert, denn der postmortale Schutzanspruch, der den Schutz des fortwirkenden Lebensbildes eines Verstorbenen wenigstens gegen grobe ehrverletzende Beeinträchtigungen sicherstellen solle, könne von den hierzu Er-mächtigten und von den nächsten Angehörigen geltend gemacht werden. Dass § 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Verlagsvertrags des Erblassers eine Regelung vorsehe, die die Entscheidung über die Fortführung der Memoiren für den Todes-fall dem Sohn des Erblassers übertrage, stehe dem ungeachtet der Frage, ob diese Entscheidungsbefugnis durch Änderung des Verlagsvertrages im Septem-ber 2008 auf die Klägerin übertragen worden sei, nicht entgegen. Denn aus die-ser Regelung ergebe sich keine über die angeordneten Rechtsfolgen für die Fer-tigstellung der Memoiren hinausgehende postmortale Wahrnehmungsberechti-gung des Sohnes des Erblassers.
II. Entsprechendes gelte in Bezug auf die Beklagte zu 3. Denn auch ihr seien die maßgeblichen tatsächlichen Parameter bekannt gewesen, aufgrund de-rer dem Erblasser das alleinige Recht zur Entscheidung über Zeitpunkt und Inhalt der Veröffentlichung zugekommen sei, das Manuskript in dessen alleinigem Ei-gentum gestanden habe und der Erblasser die Zusammenarbeit mit dem Beklag-ten zu 1 jederzeit nach seinem Willen habe beenden können. Darüber hinaus sei
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ihr im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Buches bekannt gewesen, welche mög-lichen rechtlichen Folgen aus der dienenden Stellung des Beklagten zu 1 im Ver-hältnis zum Erblasser hätten abgeleitet werden können.
B.
I. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten zu 3 ist zulässig. Sie hat in der Sache aber nur zum Teil Erfolg.
1. Im Wesentlichen ohne Erfolg bleibt die Revision der Beklagten zu 3, soweit sie sich gegen die – mitunter teilweise – Untersagung der Veröffentlichung und Verbreitung der Passagen 1 bis 3, 11, 18, 25, 31, 43, 48 (teilweise), 56 (teil-weise), 61 (teilweise), 62, 73, 81, 89, 92 (teilweise), 93, 94, 99 (teilweise), 100, 101 (teilweise), 104 und 111 wendet. Gleiches gilt hinsichtlich Passage 21, so-weit der Beklagten zu 3 die Veröffentlichung und Verbreitung des Teils des wört-lichen Zitats „aber er war kein Großer“ untersagt wurde, hinsichtlich Passage 22, soweit der Beklagten zu 3 die Veröffentlichung und Verbreitung des wörtlichen Zitatteils „man sich nur bekreuzigen“ untersagt wurde, hinsichtlich Passage 29, soweit der Beklagten zu 3 die Veröffentlichung und Verbreitung des Zitatteils „die Schreckschraube“ untersagt wurde, hinsichtlich Passage 54, soweit der Beklag-ten zu 3 die Veröffentlichung und Verbreitung der wörtlichen Zitate „Sein Problem ist, dass er nicht wirklich Gefühle der Freundschaft empfindet.“ und „Er ist kalt wie ein Fisch“ untersagt wurde, hinsichtlich Passage 88, soweit der Beklagten zu 3 untersagt wurde, den Erblasser mit dem Teilsatz „werde ich mich über den Rau auslassen“ zu zitieren, und hinsichtlich Passage 90, soweit der Beklagten zu 3 untersagt wurde, den Erblasser mit den Worten „dieses Subjekt“ und „der Rau-schebart, der sich durch die Geschichte lügt, dass es eine Schande ist“ zu zitie-ren.
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a) Veröffentlichung und Verbreitung dieser Passagen verletzen das post-mortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers.
aa) Ob – wie für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der Textpassagen entspre-chend § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB erforderlich – eine weitere Verlet-zung der Rechte des Erblassers zu besorgen ist, hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zu Recht (auch) anhand der für den postmortalen Persönlich-keitsschutz entwickelten Maßstäbe beurteilt. Denn auch wenn Erstveröffentli-chung und -verbreitung der von der Klägerin angegriffenen Passagen zu Lebzei-ten des Erblassers erfolgten, kommt eine künftige Verletzung der Rechte des in-zwischen verstorbenen Erblassers nur insoweit in Betracht, als entsprechende Rechtspositionen des Erblassers trotz seines Todes noch bestehen.
bb) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs, die zu ändern der erkennende Senat auch in An-betracht der von der Klägerin im Revisionsverfahren erhobenen Einwände nicht für veranlasst hält, kann Träger des aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG herzulei-tenden allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur eine lebende Person sein. Es er-lischt deshalb mit dem Tod; sein Schutz wirkt nicht darüber hinaus. Kein Ende mit dem Tod findet hingegen die der staatlichen Gewalt in Art. 1 Abs. 1 GG auf-erlegte Verpflichtung, alle Menschen vor Angriffen auf die Menschenwürde zu schützen (vgl. nur Senatsurteil vom 16. September 2008 – VI ZR 244/07, NJW 2009, 751 Rn. 16; BGH, Beschlüsse vom 25. April 2018 – XII ZB 414/16, NJW-RR 2018, 967 Rn. 19; vom 22. März 2012 – 1 StR 359/11, JR 2013, 34 Rn. 32; BVerfG, NJW 2001, 2957, 2958 f., juris Rn. 18 – Wilhelm Kaisen; BVerfGE 146, 1 Rn. 103 – parlamentarisches Fragerecht; mwN). Der daraus resultierende Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts ist aber nicht identisch mit den Schutzwirkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. nur Senatsurteil
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vom 16. September 2008 – VI ZR 244/07, NJW 2009, 751 Rn. 16; BGH, Be-schluss vom 29. Oktober 2014 – XII ZB 20/14, NJW 2014, 3786 Rn. 31; BVerfGK 9, 83, 88, juris Rn. 25 – Blauer Engel; BVerfGK 9, 92, 95, juris Rn. 22 – postmor-taler Datenschutz; BVerfG, NJW 2001, 2957, 2958 f., juris Rn. 18 – Wilhelm Kai-sen; NJW 2001, 594 f., juris Rn. 8), sondern bleibt dahinter zurück (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. März 2012 – 1 StR 359/11, JR 2013, 34 Rn. 32; vom 19. Juni 1998 – 2 StR 189/98, NStZ 1998, 635, juris Rn. 8; BVerfG, NJW 2018, 770 Rn. 20; NJW 2001, 594, 595, juris Rn. 8). Geschützt ist bei Verstorbenen zum einen der allgemeine Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines Personseins zu-steht. Der Verstorbene wird danach insbesondere davor bewahrt, herabgewür-digt oder erniedrigt zu werden (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2018 – XII ZB 414/16, NJW-RR 2018, 967 Rn. 19; BVerfG, NJW 2018, 770 Rn. 20; BVerfGE 146, 1 Rn. 103 – parlamentarisches Fragerecht; BVerfG, NJW 2001, 2957, 2958 f., juris Rn. 18 – Wilhelm Kaisen). Zum anderen genießt aber auch der sitt-liche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Le-bensleistung erworben hat, Schutz (Senatsurteil vom 16. September 2008 – VI ZR 244/07, NJW 2009, 751 Rn. 16; BGH, Urteil vom 12. Juli 2018 – III ZR 183/17, BGHZ 219, 243 Rn. 53 – Digitaler Nachlass; Beschluss vom 25. April 2018 – XII ZB 414/16, NJW-RR 2018, 967 Rn. 19; BVerfGE 146, 1 Rn. 103 – parlamentari-sches Fragerecht; BVerfG, NJW 2009, 979, 980, juris Rn. 7; BVerfGK 9, 83, 88, juris Rn. 25 – Blauer Engel; BVerfGK 9, 92, 95 f., juris Rn. 22 – postmortaler Da-tenschutz; BVerfG, NJW 2001, 2957, 2959, juris Rn. 19 – Wilhelm Kaisen; ferner BVerfGE 30, 173, 195, juris Rn. 63 – Mephisto), weshalb insbesondere das fort-wirkende Lebensbild des Verstorbenen geschützt ist (vgl. BGH, Urteile vom 1. Dezember 1999 – I ZR 49/97, BGHZ 143, 214, 223, juris Rn. 61 – Marlene Diet-rich; vom 8. Juni 1989 – I ZR 135/87, BGHZ 107, 384, 391, juris Rn. 31 – Emil Nolde; BVerfG NJW 2018, 770 Rn. 20). Danach dürfen der durch die Lebensstel-
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lung erworbene Geltungsanspruch und das entsprechende Lebensbild des Ver-storbenen nicht grob entstellt werden; ein bloßes In-Frage-Stellen des Geltungs-anspruchs genügt für eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts al-lerdings nicht (BVerfG, NJW 2001, 2957, 2959, juris Rn. 20 – Wilhelm Kaisen).
Steht fest, dass eine Maßnahme in den Schutzbereich des postmortalen Persönlichkeitsrechts eingreift, ist zugleich ihre Rechtswidrigkeit geklärt. Der Schutz kann nicht etwa im Zuge einer Güterabwägung relativiert werden. Beein-trächtigungen können dementsprechend nicht durch die grundrechtliche Gewähr-leistung kollidierender Freiheitsrechte gerechtfertigt werden (vgl. Senatsurteil vom 16. September 2008 – VI ZR 244/07, NJW 2009, 751 Rn. 16; BGH, Be-schluss vom 29. Oktober 2014 – XII ZB 20/14, NJW 2014, 3786 Rn. 31; BVerfGK 9, 83, 88, juris Rn. 25 – Blauer Engel; BVerfG, NJW 2001, 2957, 2959, juris Rn. 19 f. – Wilhelm Kaisen; NJW 2001, 594 f., juris Rn. 8). Da aber nicht nur ein-zelne, sondern sämtliche Grundrechte Konkretisierungen des Prinzips der Men-schenwürde sind, bedarf es stets einer sorgfältigen Begründung, wenn angenom-men werden soll, dass der Gebrauch eines Grundrechts auf die unantastbare Menschenwürde durchschlägt (BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2014 – XII ZB 20/14, NJW 2014, 3786 Rn. 31; BVerfG, NJW 2010, 2193 Rn. 27). Dabei genügt es nicht, dass die Menschenwürde des Verstorbenen berührt ist; erforderlich ist vielmehr eine sie treffende Verletzung (BVerfG, NJW 2001, 2957, 2959, juris Rn. 20 – Wilhelm Kaisen; zum postmortalen Achtungsanspruch Verstorbener nach der Rechtsprechung des EGMR vgl. EGMR, NLMR 2016, 50 Rn. 44 ff. [deutsch] = BeckRS 2016, 138626 Rn. 44 ff. [englisch]; Urteil vom 18. Mai 2004 – 58148/00, Éditions Plons v. France, Rn. 47, 53, veröffentlicht in französischer Sprache in BeckRS 2004, 155821).
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cc) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist das Berufungsgericht in Bezug auf die vorgenannten Buchpassagen im Ergebnis zutreffend davon ausgegan-gen, dass sie den Erblasser in seinem postmortalen Persönlichkeitsrecht verlet-zen. Denn dem Erblasser werden in den genannten Passagen Aussagen unter-geschoben, die er nicht oder jedenfalls nicht so, wie dargestellt, getätigt hat. Auf-grund des – qualitativ und quantitativ – erheblichen Ausmaßes der Fehlzitate liegt darin eine die Menschenwürde des Erblassers treffende schwerwiegende Ent-stellung seines Lebensbildes. Ein schützenswertes Interesse der Beklagten, dem Erblasser Aussagen unterzuschieben, die er nicht getätigt hat, besteht nicht (vgl. Senatsurteil vom 20. November 2007 – VI ZR 144/07, VersR 2008, 1081 Rn. 13; BVerfGE 54, 208, 219 ff., juris Rn. 28 ff. – Heinrich Böll; 34, 269, 283 f., juris Rn. 31 – Soraya).
(1) Eine das postmortale Persönlichkeitsrecht verletzende Entstellung des Lebensbildes des Verstorbenen kann durch Behauptung unwahrer Tatsa-chen über den Verstorbenen geschehen (vgl. Löffler/Steffen, 6. Aufl., LPG § 6 Rn. 71; Schmitt in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, 2. Aufl., § 29 Rn. 23 ff.). Eine Entstellung des Lebensbildes einer Person im dar-gelegten Sinne liegt freilich nicht in jeder Fehldarstellung, die gegenüber einem unvoreingenommenen und verständigen Publikum den Anspruch auf Authentizi-tät erhebt und ihren durch die Lebensstellung erworbenen Geltungsanspruch in Frage stellt, wohl aber in einer solchen, die nach Inhalt oder Umfang den mit dem Persönlichkeitsbild verbundenen Achtungsanspruch der Person oder deren sozi-alen Geltungsanspruch im Kern trifft (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1984 – I ZR 73/82, GRUR 1984, 907, 908, juris Rn. 31 – Frischzellenkosmetik). So hat etwa der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs das Vorliegen einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des postmortalen Persönlichkeitsrechts eines Wissenschaftlers angenommen, wenn infolge des Textes einer Werbebroschüre bei einem Teil der Leser der Eindruck entsteht, eine vom betreffenden Wissenschaftler entwickelte
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Therapieform täusche ihre Wirkungsweise nur vor (BGH, Urteil vom 17. Mai 1984 – I ZR 73/82, GRUR 1984, 907 f., juris Rn. 23 ff. – Frischzellenkosmetik). Weiter kann die Fälschung von Bildern das postmortale Persönlichkeitsrecht eines Künstlers verletzen. Denn Fälschungen sind – unabhängig von ihrer Qualität – geeignet, durch die Verzerrung des Gesamtwerks das auch nach dem Tode des Künstlers fortbestehende künstlerische Ansehen und seine künstlerische Wert-schätzung zu beeinträchtigen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 1989 – I ZR 135/87, BGHZ 107, 384, 391 f., juris Rn. 32 f. – Emil Nolde).
(2) Entsprechendes muss gelten, wenn dem Verstorbenen Aussagen un-tergeschoben werden, die er nicht oder zumindest nicht so, wie dargestellt, getä-tigt hat. Denn auch Fehlzitate stellen unwahre Behauptungen über den Verstor-benen dar (vgl. Senatsurteil vom 20. November 2007 – VI ZR 144/07, VersR 2008, 1081 Rn. 13), die grundsätzlich geeignet sein können, das Lebensbild des Verstorbenen zu entstellen. Damit schützt das postmortale Persönlichkeitsrecht den Verstorbenen zwar nicht vor jedem Fehlzitat. Der unzutreffenden Wieder-gabe von (angeblichen) Äußerungen des Verstorbenen kommt aber ein dessen Menschenwürde und damit auch sein postmortales Persönlichkeitsrecht verlet-zendes Gewicht zu, wenn die untergeschobenen Äußerungen nach Qualität und/oder Quantität das Lebensbild des Verstorbenen grob entstellen.
Da Bezugspunkt wörtlicher Zitate notwendigerweise Äußerungen des Be-troffenen zu Lebzeiten sind, gelten für die Frage, wann von einem Fehlzitat aus-zugehen ist, keine anderen Grundsätze als bei der Beurteilung der Persönlich-keitsrechtsverletzung Lebender durch untergeschobene Äußerungen. Der sozi-ale Geltungswert des Verstorbenen kann danach nicht nur durch vollständig un-tergeschobene Fehlzitate im eigentlichen Sinne betroffen sein, sondern auch durch die unrichtige, verfälschte oder entstellte Wiedergabe von Äußerungen
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(vgl. zum Schutz Lebender vor dem Unterschieben von Äußerungen: Senatsur-teile vom 21. Juni 2011 – VI ZR 262/09, NJW 2011, 3516 Rn. 11 – Das Prinzip Arche Noah; vom 27. Januar 1998 – VI ZR 72/97, NJW 1998, 1391, 1392, juris Rn. 23; BVerfGE 152, 152 Rn. 82 – Recht auf Vergessen I; BVerfGE 54, 148, 154 f., juris Rn. 15 ff. – Eppler; 54, 208, 217, juris Rn. 23 f. – Heinrich Böll; BVerfG, NJW 1993, 2925, 2926, juris Rn. 19; BVerfGK 18, 42, 53, juris Rn. 52 – Wortbe-richterstattung; EGMR, AfP 2019, 142 Rn. 29 [zu Art. 8 EMRK]; ferner Senatsur-teile vom 26. November 2019 – VI ZR 12/19, NJW 2020, 770 Rn. 18 und VI ZR 20/19, VersR 2020, 497 Rn. 17; vom 15. November 2005 – VI ZR 274/04, NJW 2006, 609 Rn. 15; vom 1. Dezember 1981 – VI ZR 200/80, NJW 1982, 635 f., juris Rn. 24 – Rudimente der Fäulnis; BVerfGE 34, 269, 282 f., juris Rn. 29 – Soraya). Eine unrichtige Wiedergabe einer Äußerung in diesem Sinne liegt dabei auch dann vor, wenn der Eindruck erweckt wird, der Zitierte habe sich eindeutig in einem bestimmten Sinne geäußert, obwohl seine Aussage mehrere Interpretati-onen zulässt und der Zitierende nicht kenntlich macht, dass es sich um seine Interpretation einer mehrdeutigen Aussage handelt (vgl. Senatsurteile vom 21. Juni 2011 – VI ZR 262/09, NJW 2011, 3516 Rn. 12 – Das Prinzip Arche Noah; vom 27. Januar 1998 – VI ZR 72/97, NJW 1998, 1391, 1392, juris Rn. 23; Hmb-KommMedienR/Vendt, 4. Auflage, 35/5; Ludyga, ZUM 2019, 793, 796). Maßge-bend für die Beurteilung der Frage, ob eine Äußerung zutreffend wiedergegeben wurde oder nicht, ist dabei nicht das vertretbare Verständnis eines Durchschnitts-lesers oder Durchschnittshörers, sondern das, was der Zitierte gemessen an sei-ner Wortwahl, dem Kontext seiner Gedankenführung und dem darin erkennbar gemachten Anliegen zum Ausdruck gebracht hat. Denn andernfalls würde dem Zitierten die Entscheidung über sein eigenes Wort weitgehend genommen und durch eine mögliche Beurteilung Dritter ersetzt, in der seine Äußerung eine an-dere Färbung oder Tendenz erhalten kann, als der Zitierte sie zum Ausdruck ge-
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bracht hat. Dementsprechend ist eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persön-lichkeitsrechts zu bejahen, wenn die Wiedergabe einer mehrdeutigen Äußerung zwar einer aus Sicht des Durchschnittsadressaten vertretbaren Deutung folgt, aber auch ein anderes Verständnis möglich ist, das die Rechte des Zitierten bes-ser wahrt, und der Zitierende seiner Aussage keinen Interpretationsvorbehalt bei-fügt (Senatsurteil vom 21. Juni 2011 – VI ZR 262/09, NJW 2011, 3516 Rn. 12 – Das Prinzip Arche Noah, mwN). Bei der – im Revisionsverfahren voll überprüf-baren (vgl. Senatsurteile vom 14. Januar 2020 – VI ZR 497/18, ZUM-RD 2020, 186 Rn. 28, mwN) – Ermittlung des Aussagegehalts der jeweiligen Buchpassage ist zu beachten, dass nicht isoliert auf die durch den Klageantrag hervorgehobene Textpassage abgestellt werden darf, sondern die jeweilige Textpassage vielmehr im Zusammenhang mit dem gesamten Aussagetext zu deuten ist; maßgebend für den Aussagegehalt der jeweiligen Buchpassage ist dabei das Verständnis, das ihr ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum zumisst (vgl. Se-natsurteile vom 26. Januar 2021 – VI ZR 437/19, AfP 2021, 226 Rn. 11 – Kirchen-kreis; vom 16. Juni 1998 – VI ZR 205/97, BGHZ 139, 95, 102, juris Rn. 16).
Da der postmortale Persönlichkeitsschutz nicht weitergehen kann als der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines Lebenden, gilt freilich auch hier, dass nicht jegliche Wortlautabweichung für die Einordnung eines Zitats als Fehlzitat ausreicht. Von einem Fehlzitat kann auch in diesem Zusammenhang nur dann ausgegangen werden, wenn der Gehalt einer Aussage in der wieder-gegebenen Form vom Gehalt der tatsächlich getätigten Aussage abweicht, sei es auch nur in Färbung oder Tendenz (vgl. für das Unterschieben nicht getaner Äußerungen in Bezug auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht: Senatsurteil vom 30. Mai 1978 – VI ZR 117/76, NJW 1978, 1797, 1798 f., juris Rn. 24 – Ungeist der Sympathie; vom 25. Mai 1954 – I ZR 211/53, BGHZ 13, 334, 339, juris Rn. 22 – Schacht-Briefe; ferner HmbKommMedienR/Weyhe, 4. Aufl., 37/65 f.).
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(3) Die Anwendung dieser Grundsätze führt im Streitfall zum Ergebnis, dass Veröffentlichung oder Verbreitung der oben genannten Passagen das post-mortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers verletzen. Die – qualitativ und quan-titativ ganz erheblichen (vgl. nachfolgend unter b) – Fehlzitate entstellen das Le-bensbild des Erblassers.
(a) Auf der Grundlage der Feststellungen im Berufungsurteil werden dem Erblasser in den Buchpassagen 1 bis 3, 11, 18, 21, 22, 25, 29, 31, 43, 48, 54, 56, 61, 62, 73, 81, 88 bis 90, 92 bis 94, 99 bis 101, 104 und 111 Aussagen unterge-schoben, die dieser nicht oder jedenfalls nicht so, wie dargestellt, getätigt hat.
(aa) Nach den tatbestandlichen Feststellungen im Berufungsurteil ist zwi-schen den Parteien streitig, ob der Erblasser die in Passage 1 wiedergegebenen Äußerungen überhaupt getätigt hat. Das Berufungsgericht hat insoweit keine Feststellungen getroffen. Insoweit ist der revisionsrechtlichen Überprüfung damit die Behauptung der Beklagten und Revisionsklägerin zu 3 zugrunde zu legen, der Erblasser habe die angeblichen Äußerungen getätigt.
Dennoch handelt es sich bei Passage 1 auf der Grundlage der vom Beru-fungsgericht getroffenen, von der Revision der Beklagten zu 3 nicht angegriffe-nen Feststellungen um ein Fehlzitat. Denn das Berufungsgericht hat festgestellt, die im Buch wiedergegebene Aussage sei (jedenfalls) aus zwei vom Erblasser bei unterschiedlichen Gelegenheiten getätigten Äußerungen zusammengesetzt; zum einen habe sich der Erblasser über das aus seiner Sicht schäbige Verhalten seiner Parteikollegen im Zuge der sogenannten Spendenaffäre geäußert, zum anderen sich mit den psychischen Belastungen befasst, denen seine erste Ehe-frau in dieser Zeit durch die Verfolgung durch die Presse ausgesetzt gewesen
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sei. Damit entspricht der Aussagegehalt von Passage 1 auch dann nicht der tat-sächlichen Aussage des Beklagten, wenn er die entsprechenden Äußerungen getätigt hat. Denn Passage 1 ist – auch im Gesamtzusammenhang des Buches – aus Sicht des unvoreingenommenen und verständigen Lesers dahingehend zu verstehen, dass der Erblasser mit den – unzutreffend als einheitliches Zitat wie-dergegebenen – Äußerungen eine kausale Beziehung auch zwischen dem Ver-halten seiner Parteikollegen und der Erkrankung seiner ersten Ehefrau behauptet hat, wohingegen er tatsächlich (allenfalls) eine kausale Beziehung zwischen dem Verhalten der Presse und der Erkrankung seiner Ehefrau hergestellt hat.
(bb) Auch hinsichtlich Passage 2 hat das Berufungsgericht offengelas-sen, ob der Erblasser – was zwischen den Parteien nach den tatbestandlichen Feststellungen im Berufungsurteil streitig ist – die dort wiedergegebene Äußerung überhaupt getätigt hat. Auch insoweit ist nach den Regeln des Revisionsrechts in Bezug auf die von der Beklagten zu 3 geführte Revision mithin zu unterstellen, dass sich der Erblasser entsprechend geäußert hat.
Dennoch handelt es sich auf der Grundlage der vom Berufungsgericht ge-troffenen, von der Revision der Beklagten zu 3 nicht angegriffenen Feststellun-gen um ein Fehlzitat. Denn die Ausführungen über Angela Merkel fielen jeden-falls – anders als nach dem vom Buch vermittelten Eindruck – nicht vorwurfsbe-haftet im Rahmen eines „Gerichtstag[es] über seine missratene Brut“, also kon-textunabhängig im Rahmen einer Generalabrechnung des Erblassers. Vielmehr hat sich der Erblasser nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellun-gen mit den elementaren Veränderungen befasst, die die Menschen in den neuen Bundesländern bewältigen mussten, und Angela Merkel – was sich aus dem Buch nicht ergibt – allenfalls in dieser Beziehung mit der zitierten Äußerung erwähnt, gerade ohne ihr einen Vorwurf zu machen. Mit der darin liegenden Verfälschung
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des Kontextes wurde die – unterstellte – Aussage des Erblassers ihrem Aussage-gehalt nach entstellt.
(cc) Zu Recht hält das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner von der Revision der Beklagten zu 3 nicht angegriffenen Feststellungen auch die in Pas-sage 3 wiedergegebene Äußerung des Erblassers für ein Fehlzitat im oben dar-gestellten Sinne. Zwar hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Erblasser die insoweit im Buch wiedergegebene Äußerung, „das“ seien „Leute, die es nicht können“, „die Merkel“ habe „keine Ahnung, und der Fraktionsvorsitzende“ sei „ein politisches Kleinkind“, tatsächlich getätigt hat. Der Inhalt der Äußerung wird aber dadurch entstellt, dass sie im Buch aus ihrem tatsächlichen Kontext herausgelöst und in einen viel allgemeineren Kontext gestellt wird. So hat das Berufungsgericht festgestellt, der Erblasser habe die dargestellten Einschätzungen allein in Bezug auf die Europapolitik von sich gegeben. Im Buch wird aus Sicht des verständigen Lesers hingegen der Eindruck erweckt, sie sei im Rahmen einer Generalabrech-nung gefallen und damit nicht auf ein bestimmtes Politikfeld bezogen gewesen.
(dd) Auch bei Passage 11 handelt es sich um ein Fehlzitat. Zu Recht ist das Berufungsgericht zum Ergebnis gelangt, die Passage sei aus ihrem Gesamt-zusammenhang im Buch aus Sicht des unvoreingenommenen und verständigen Lesers dahingehend zu verstehen, der Erblasser habe mit dem zitierten Satz zum Ausdruck gebracht, er – der Erblasser – hasse von Brauchitsch bis aufs Lebens-ende. Insbesondere folgt dies aus dem den betreffenden Absatz einleitenden, der Passage 11 unmittelbar vorgehenden Satz, wonach „er“ (der Erblasser) „sich dann vom ‚guten Eberhard‘ abgewandt“ habe. Die im Buch wiedergegebene Aus-sage entspricht damit nicht dem, was der Erblasser nach den vom Berufungsge-richt getroffenen Feststellungen tatsächlich gesagt hat, nämlich, dass umgekehrt von Brauchitsch ihn, den Erblasser, bis aufs Lebensende hasse.
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(ee) Als Fehlzitat im oben genannten Sinne ist auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts weiter Passage 18 zu werten. Zwar hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Erblasser beide Sätze des Zitats dem Wortlaut nach wie im Buch niedergelegt geäußert hat. Die tatsächliche Aussage des Erblassers wird aber durch die erst im Buch vorgenommene Kombination der beiden Sätze sowie die Verfälschung des Kontexts, in dem sie gefallen sind, er-heblich verzerrt.
Im Buch wird insoweit ausgeführt, der Erblasser habe manche nur „mit einem kleinen, schmerzhaften Tritt im Vorbeigehen“ touchiert, so wie Rüttgers mit dem in Passage 18 wiedergegebenen Zitat. Aus Sicht des verständigen Le-sers wird damit zum Ausdruck gebracht, der Erblasser habe Jürgen Rüttgers nur pauschal als frei von Dynamik bezeichnet und dies damit begründet, sein Hori-zont ende in seiner Heimatgemeinde Pulheim. Dies entspricht nicht dem Inhalt der tatsächlichen Aussage des Erblassers über Jürgen Rüttgers. Nach den von der Revision der Beklagten zu 3 nicht angegriffenen Feststellungen des Beru-fungsgerichts hat der Erblasser in Wirklichkeit mit dem ersten Teil des Zitats zwar seine Enttäuschung über die Entwicklung von Rüttgers zum Ausdruck gebracht, zugleich aber auch ausgeführt, Rüttgers würde nach wie vor einen guten Bun-desinnenminister abgeben. Den zweiten Teil des das Zitat bildenden Satzes hat der Erblasser nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen zudem – anders als das Buch nahelegt – überhaupt nicht im Hinblick auf die angeblich fehlende Dynamik von Jürgen Rüttgers geäußert, sondern in gänzlich anderem Zusammenhang, nämlich als Kritik an der Angewohnheit von Regierungsmitglie-dern, abends nach Hause zu fahren.
(ff) Passage 21 stellt insoweit ein Fehlzitat dar, als der Erblasser hier mit der Aussage wiedergegeben wird, Matthias Wissmann sei „kein Großer“. Nach den von der Revision der Beklagten zu 3 nicht angegriffenen Feststellungen des
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Berufungsgerichts hat der Erblasser in Bezug auf Matthias Wissmann einen Satz begonnen, in dem statt des Substantivs „Großer“ das Adjektiv „großer“ geäußert wurde, bevor der Satz abbrach. Die ihm aus Sicht eines verständigen Lesers zugeschriebene Aussage, Matthias Wissmann habe nicht den Rang einer bedeu-tenden Persönlichkeit, hat der Erblasser mithin nicht getätigt.
(gg) In Passage 22 ist das Angela Merkel betreffende Zitat, dass „man sich nur bekreuzigen“ könne, unzutreffend. Denn der unvoreingenommene und verständige Leser des Buches versteht die im Buch wiedergegebene Aussage des Erblassers dahingehend, man könne sich im Hinblick auf den (fehlenden) Charakter von Angela Merkel „nur bekreuzigen“. Tatsächlich bezog sich die Aus-sage, da könne „man sich nur bekreuzigen“, nach den von der Revision der Be-klagten zu 3 nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts aber nicht auf den angeblichen Charakter von Angela Merkel als solchen, sondern – was im Buch nicht zum Ausdruck kommt – auf den Umgang von Angela Merkel und Wal-ter Leisler Kiep miteinander.
(hh) Auch Passage 25 stellt ein Fehlzitat dar.
Zum einen entspricht das Zitat nach den Feststellungen des Berufungsge-richts schon im Wortlaut nicht der vom Erblasser tatsächlich getätigten Äußerung. Danach hat dieser nämlich nicht – wie im Buch wiedergegeben – gesagt, Rita Süssmuth sei aus den Dessous herausgezogen worden, um der neue „Staat“ zu sein, sondern um der neue „Star“ zu sein. Dieser Zitatfehler geht über eine uner-hebliche bloße Wortlautungenauigkeit hinaus, weil er der tatsächlich getätigten Aussage ihren Sinn nimmt.
Zum anderen liegt unabhängig davon auch eine sinnverzerrende Kon-textverfälschung vor. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen wollte der Erblasser mit der Äußerung gerade nicht – wie der verständige Leser
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dem Buch indes entnimmt – Rita Süssmuth ein (negatives) „Etikett“ aufkleben, sondern – ohne dass das Buch diesen Kontext schildert – die Führung des Wahl-kampfs durch Ernst Albrecht kritisieren.
(ii) Auch in Passage 29 wird der Erblasser in einer vom tatsächlichen In-halt seiner Aussage wesentlich abweichenden Weise falsch zitiert. Nach den zu-grunde zu legenden Feststellungen des Berufungsgerichts hat er Rita Süssmuth nicht generell als „Schreckschraube“ beleidigt, sondern nur – deutlich weniger scharf – seine Einschätzung zum Ausdruck gebracht, dass sie vom katholischen Klerus in Niedersachsen als „Schreckschraube“ wahrgenommen worden sei.
(jj) Auch Passage 31 ist ein Fehlzitat.
Zwar ist hinsichtlich der Revision der Beklagten zu 3 davon auszugehen, dass der Erblasser Heiner Geißler tatsächlich als „Narr und Rechthaber“ bezeich-net hat. Denn das Berufungsgericht hat dahinstehen lassen, ob sich der Erblas-ser dem Wortlaut nach entsprechend geäußert hat, was nach den tatbestandli-chen Feststellungen im Berufungsurteil zwischen den Parteien streitig ist. Damit ist die Wahrheit der Behauptung der Beklagten zu 3 insoweit für die revisions-rechtliche Überprüfung zu unterstellen.
Zu Recht geht das Berufungsgericht auf der Grundlage der von ihm ge-troffenen, von der Revision der Beklagten zu 3 nicht in Frage gestellten Feststel-lungen aber auch dann vom Vorliegen eines Fehlzitats im oben genannten Sinne aus, wenn sich der Erblasser dem Wortlaut nach entsprechend geäußert hat. Denn danach hat der Erblasser insoweit in Bezug auf Heiner Geißler gesagt: „Ich hatte keine Probleme mit Geißler. Er machte einen guten Job. Er war immer ein Narr und Rechthaber, aber in einem erträglichen Rahmen.“ Durch das Heraus-greifen gerade der Worte „Narr und Rechthaber“ und das Weglassen der relati-vierenden Teile dieser Aussage wird dem Erblasser im Buch eine wesentlich
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schärfere Aussage untergeschoben. Auch diese Verzerrung macht Passage 31 zu einem Fehlzitat im oben dargestellten Sinne.
(kk) Passage 43 enthält ein weiteres Fehlzitat im oben genannten Sinn. Zwar hat der Erblasser die im Buch wiedergegebene Aussage über Bruno Heck
„Meine Frau mochte ihn nicht. Ein Mann, der seiner Frau sechs Kinder hinsetzt und dann dauernd weggeht, hatte bei ihr kein Erbarmen.“
nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen im Wesentlichen tat-sächlich so geäußert; dass der Erblasser von fünf und nicht von sechs Kindern gesprochen hat, ändert am eigentlichen Aussagegehalt nichts. Zu Recht geht das Berufungsgericht aber davon aus, dass die tatsächliche Aussage des Erblassers im Buch dadurch verfälscht wird, dass sie aus dem Zusammenhang gerissen und in einen anderen Kontext gestellt wird. Tatsächlich hat der Erblasser nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen seiner Äußerung nämlich noch hinzugefügt: „Und dann hat sie wahrscheinlich gehört, dass Frau Heck das alles als richtig empfand, und da lagen Welten dazwischen.“ Entgegen dem im Buch im Übrigen auch durch die Einbettung des verkürzten Zitats („Auch lang schon dahingeschiedene Parteigrößen bleiben nicht verschont“, „Drang zum Drauf-hauen“) vermittelten Eindruck hat der Erblasser Bruno Heck mit dem zitierten Satz damit nicht wegen eines vermeintlichen Fehlverhaltens kritisiert, son-dern – wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt – nur unterschiedliche An-schauungen seiner Frau und von Frau Heck zu einem Familienleben dargestellt. Jedenfalls lässt sich die zitierte Aussage im wirklichen Zusammenhang auch in diesem Sinne verstehen, was aus dem Buch nicht ansatzweise hervorgeht.
(ll) Auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen ist das Be-rufungsgericht zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass auch die in Passage 48 wiedergegebenen Aussagen des Erblassers Fehlzitate im oben genannten Sinn
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darstellen. Zwar hat sich der Erblasser nach den vom Berufungsgericht getroffe-nen Feststellungen tatsächlich entsprechend geäußert, allerdings nicht in dem im Buch behaupteten Zusammenhang. Schon durch die Einbettung der Zitate in die Darstellung der Reaktion des Erblassers auf das Thema „Spendenaffäre“ muss der unvoreingenommene und verständige Leser des Buchs den Eindruck gewin-nen, der Erblasser habe sich insoweit auf die Spendenaffäre bezogen. Dies war auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen, von der Revision der Beklagten zu 3 nicht angegriffenen Feststellungen tatsächlich aber gerade nicht der Fall. Vielmehr bezogen sich die zitierten Sätze danach darauf, dass die Bun-despartei anlässlich eines Bundesparteitages den Schuldschein eines Landes-verbands akzeptierte, um dessen Delegierten das Stimmrecht auf dem Parteitag zu sichern.
(mm) Auf der Grundlage der von ihm getroffenen und von der Revision der Beklagten zu 3 nicht angegriffenen Feststellungen zu Recht geht das Beru-fungsgericht weiter davon aus, dass auch Passage 54 Fehlzitate enthält.
Unzutreffend ist danach zunächst der von Passage 54 aus der maßgebli-chen Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Lesers vermittelte Ein-druck, der Erblasser habe über Gerhard Schröder gesagt, dieser sei „kalt wie ein Fisch“. Denn nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hat diese Aussage tatsächlich Frank-Walter Steinmeier und nicht Gerhard Schröder betroffen.
Unzutreffend ist weiter die in Passage 54 aufgestellte Behauptung, der Erblasser habe gesagt, Gerhard Schröder empfinde – als allgemeine Charakter-eigenschaft, wie der verständige Leser dies versteht – „nicht wirklich Gefühle der Freundschaft“. Denn nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen
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bezog sich die entsprechende Aussage des Erblassers tatsächlich konkret auf das Verhältnis zwischen Schröder und Wladimir Putin.
(nn) Auch Passage 56 stellt ein Fehlzitat dar. Nach den vom Berufungs-gericht getroffenen Feststellungen hat der Erblasser hinsichtlich Herta Däubler-Gmelin nicht – wie im Buch wiedergegeben – gesagt, sie sei manchmal von „blin-dem“ Hass getrieben, sondern von „ihrem politischen indoktrinierten“ Hass. Seine Aussage ist damit schärfer wiedergegeben, als sie tatsächlich war. Es han-delt sich damit nicht nur um eine bloße Wortlautungenauigkeit, sondern auch um eine inhaltliche Verzerrung der Aussage.
(oo) Auch in Passage 61 wird dem Erblasser auf der Grundlage der nicht angegriffenen Feststellungen im Berufungsurteil eine Aussage untergeschoben, die er so nicht gemacht hat. Das Berufungsgericht hat festgestellt, der Erblasser habe in Bezug auf den Eierwurf von Halle vom 10. Mai 1991 tatsächlich gesagt:
„Ich bin nie ausgewichen, sondern ich ging immer sofort auf die los, was die bessere Verteidigung war. Denn dann reagierten sie nicht mehr. Bei mir war das ja überwiegend der linke Pöbel, die Truppen von diesem jetzigen Umweltminister, barbarische Schläger.“
Zutreffend ist das Berufungsgericht insoweit zum Ergebnis gelangt, diese Äußerung des Erblassers beinhalte nicht die im Buch wiedergegebene Aussage, Trittin kommandiere „noch immer“ Truppen von barbarischen Schlägern. Denn die tatsächlich getätigte Aussage bezog sich auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen auf das Jahr 1991 und nicht auf den Zeitpunkt des Gesprächs im Jahr 2002.
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(pp) Der erkennende Senat teilt auf der Grundlage der getroffenen, von der Revision der Beklagten zu 3 nicht angegriffenen Feststellungen auch die wei-tere Wertung des Berufungsgerichts, bei Passage 62 handele es sich um die verzerrte Wiedergabe des vom Erblasser tatsächlich Gesagten. Der Erblasser hat Christian Ströbele nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zwar tat-sächlich als „Subjekt“ bezeichnet, jedoch nicht, wie das Buch suggeriert, in Bezug auf dessen Tätigkeit im CDU-Spendenausschuss, sondern im Zusammenhang mit dessen (angeblicher) Forderung, dass „die deutsche Waffenhilfe nach Kuba geht“.
(qq) Auch bei Passage 73 handelt es sich um ein Fehlzitat. Zwar hat das Berufungsgericht die nach den tatbestandlichen Feststellungen streitige Behaup-tung der Klägerin, der Erblasser habe die ihm insoweit zugeschriebene Äußerung über Hans-Dietrich Genscher nicht getätigt, ausdrücklich offengelassen. Die Be-hauptung der Beklagten zu 3, er habe sie getätigt, ist deshalb hinsichtlich der Revision der Beklagten zu 3 als wahr zu unterstellen. Ein Fehlzitat im oben dar-gestellten Sinne liegt aber dennoch vor, weil die Äußerung jedenfalls aus ihrem Gesamtzusammenhang gerissen und dadurch auch in ihrem Aussagegehalt ver-zerrt wurde. Denn die zitierte Aussage des Erblassers, Hans-Dietrich Genscher habe „nie einen Finger krumm [ge]macht[…]“, hätte sich nach dem vom Beru-fungsgericht festgestellten Inhalt des Transskripts allenfalls auf seinen (fehlen-den) Einsatz in Bezug auf die drohende Schließung der deutschen Übersetzer-kabine bei der EU und nicht – wie im Buch suggeriert – auf die Arbeitsweise Gen-schers insgesamt bezogen.
(rr) In Passage 81 wird dem Erblasser eine weitere Aussage untergescho-ben, die er so nicht getätigt hat. Die Einbettung des Zitats im Buch
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„Nur mit äußerster Mühe hatte er [Kohl] 1981 den Eigensinnigen [von Weizsäcker] dazu bewegen können, als Regierender Bürgermeister in Berlin anzutreten: ‚Der Weizsäcker brauchte stets ein goldenes Tab-lett, mit Intarsien ausgelegt.‘ “
erweckt aus Sicht des unvoreingenommenen und verständigen Lesers den Ein-druck, der Erblasser habe den zitierten Satz in Bezug auf Weizsäckers Kandida-tur für das Amt des Regierenden Bürgermeisters in Berlin im Jahr 1981 geäußert und Weizsäcker habe nur mit großer Mühe dazu bewegt werden können. Tat-sächlich bezog sich die Äußerung des Erblassers nach den vom Berufungsge-richt getroffenen Feststellungen aber auf eine ganz andere Wahl, nämlich auf eine Wahl für das Amt des CDU-Parteivorsitzenden.
(ss) Passage 88 stellt insoweit ein Fehlzitat dar, als der Erblasser hier mit den Worten zitiert wird, im abschließenden Band der Memoiren werde er sich „über den Rau auslassen“. Diese Textpassage vermittelt dem verständigen Leser des Buches – was das Berufungsgericht zutreffend gesehen hat – im Gesamtzu-sammenhang den Eindruck, der Erblasser habe mit seinem „Versprechen“, sich im letzten Band der Memoiren über Rau auszulassen, angekündigt, dies auch in persönlicher Hinsicht zu tun. Tatsächlich hat der Erblasser sich auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen aber nicht entsprechend geäußert. Denn das Berufungsgericht hat festgestellt, dass er – was im Buch nicht zum Ausdruck kommt – diese Ankündigung unmittelbar im Anschluss ausdrück-lich auf eine Auseinandersetzung auf der politischen Sachebene beschränkt hat.
(tt) Auch Passage 89 stellt ein Fehlzitat dar. Nach den vom Berufungsge-richt getroffenen, von der Revision der Beklagten zu 3 nicht in Frage gestellten Feststellungen hat der Erblasser nicht – wie im Buch aus Sicht eines verständigen Lesers behauptet – die Inhaber des Amtes eines (Bundes-) Präsidenten als
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„Arschbackengesichter“, sondern lediglich die im Amt des Bundespräsidenten zu erbringende Tätigkeit im Hinblick auf die im Vergleich zum Amt des Bundeskanz-lers geringere Arbeitsbelastung als „Arschbackengesichtsjob“ bezeichnet. Die Aussage des Erblassers enthielt in der tatsächlich getätigten Form damit gerade nicht den persönlichen Angriff auf (auch Bundes-) Präsidenten, der in der ver-zerrten Wiedergabe im Buch zum Ausdruck kommt.
(uu) Auch in Passage 90 werden dem Erblasser Äußerungen unterstellt, die er nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht getätigt hat. So hat der Erblasser danach – anders als im Buch dargestellt – über Wolfgang Thierse nicht gesagt
„der sich durch die Geschichte lügt, dass es eine Schande ist“,
sondern vielmehr
„der lügt ja die Geschichte durch die Gegend, dass es eine Schande ist“.
Die Abweichung verzerrt die Aussage des Erblassers auch im Aussagegehalt. Während die dem Erblasser im Buch unterstellte Äußerung aus Sicht eines un-voreingenommenen und vernünftigen Lesers – jedenfalls auch – dahingehend verstanden werden kann, Thierse gestalte seine (politische) Laufbahn auch mit dem Mittel der Lüge, ergibt sich aus der vom Erblasser tatsächlich getätigten Aussage nur, Thierses Aussagen über historische Abläufe seien (bewusst) un-wahr. Weiter wurde ihm die – so von ihm nicht geäußerte – Bezeichnung Thierses als „dieses Subjekt“, „der mit der Kerze“ in den Mund gelegt.
(vv) Auf der Grundlage der von ihm getroffenen, von der Revision der Be-klagten zu 3 nicht angegriffenen Feststellungen zutreffend hat das Berufungsge-richt infolge einer Verfälschung des Kontextes auch die in Passage 92 als wörtli-
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ches Zitat gekennzeichnete Wiedergabe einer Aussage des Erblassers als Fehl-zitat bewertet. Zwar hat der Erblasser nach den vom Berufungsgericht getroffe-nen Feststellungen gesagt: „Dann kippte sie beinahe vom Stuhl und hielt ihr Täschchen.“ Anders als im Buch durch den vorhergehenden Satz „Margaret Thatcher zum Beispiel nickte auf den G7-Gipfeln gern ein, wenn es spät wurde“ suggeriert, brachte der Erblasser aber nicht zum Ausdruck, dass es sich dabei um ein öfter oder gar regelmäßig vorkommendes Geschehen handelte. Vielmehr schilderte er nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nur ein einmaliges Erlebnis, das er auf einem G7-Gipfel nach einer Wahl in Amerika hatte.
(ww) Weiter stellt Passage 93 auf der Grundlage der vom Berufungsge-richt getroffenen, von der Revision der Beklagten zu 3 nicht in Frage gestellten Feststellungen ein Fehlzitat dar. Zwar hat der Erblasser nach den vom Beru-fungsgericht getroffenen Feststellungen in der Tat geäußert „Waigel und Gen-scher wollten immer ins Bett“. Anders als im Buch insbesondere durch den Ein-leitungssatz „Auch der Außenminister und sein für die Finanzen zuständiger Amtskollege machten wohl bei Brüsseler EU-Tagungen als ziemliche Schlafmüt-zen von sich reden“ suggeriert, erhob er nach den Feststellungen des Berufungs-gerichts damit im tatsächlichen Zusammenhang nicht den Vorwurf mangelnder Arbeitsmoral; diese lobte er in Bezug auf Genscher sogar ausdrücklich. Die Aus-sage war vielmehr eingebettet in eine Schilderung der großen Belastungen von EU-Gipfeln und den Auswirkungen unterschiedlicher Biorhythmen. Auch hier wurde der Aussagegehalt der Äußerung durch die Veränderung des Kontextes mithin verfälscht.
(xx) Auch Passage 94 enthält ein Fehlzitat. Der Erblasser hat nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen über Hartmut Mehdorn nicht wie im Buch behauptet – gesagt, „Kein Felsbrocken, sondern ein Riesenkiesel“,
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sondern das Wort „Rheinkiesel“ verwendet. Nach Auffassung des erkennenden Senats handelt es sich bei dieser Abweichung nicht nur um einen unerheblichen Fehler im Wortlaut, der auf den Aussagegehalt keinen Einfluss hat. Vielmehr ist der vom Erblasser tatsächlich gebrauchte Wortlaut jedenfalls verständlicher und vermeidet die mit dem Präfix „Riesen“ statt „Rhein“ verbundene Gefahr des Ein-drucks, der Erblasser wolle in spottender Weise auch auf die körperliche Erschei-nung des Kritisierten anspielen.
(yy) Auch die in Passage 99 enthaltenen, vom Berufungsgericht untersag-ten wörtlichen Zitate des Erblassers sind auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts Fehlzitate.
Nach den tatbestandlichen Feststellungen im Berufungsurteil ist zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz unstreitig geworden, dass der Erblasser die ihm hier unterstellte Aussage, er habe für die Richtigkeit seiner angeblichen Be-hauptung, die Mitglieder der Waffen-SS seien Feldsoldaten und anständige Leute gewesen, Beweise, die „wie eine Bombe einschlagen“ würden, nicht getä-tigt hat.
Hinsichtlich der dem Erblasser im Buch weiter zugeschriebenen Aussage „Das waren Feldsoldaten, anständige Leute“ ist nach den oben dargelegten Kri-terien jedenfalls deshalb von einem Fehlzitat auszugehen, weil die nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tatsächlich gefallene Äußerung „Halt Feldsoldaten, anständige Leute“ zumindest offenlässt, ob der Erblasser da-mit – wie im Buch dargestellt – eine eigene Bewertung der Mitglieder der Waffen-SS vornehmen oder – wie vom Berufungsgericht im Gesamtzusammenhang als näherliegend betrachtet – lediglich eine Äußerung Kurt Schumachers zitieren wollte, und das Buch die Mehrdeutigkeit der Äußerung nicht offenlegt, sondern die Aussage vielmehr als eindeutig präsentiert.
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Ist die im Buch dem Erblasser zugeschriebene Aussage „Das waren Feld-soldaten, anständige Leute“ als Fehlzitat einzuordnen, so gilt dies auch für die vom Erblasser dafür angeblich gegebene Begründung, auch der Sozialdemokrat Kurt Schumacher habe „in einem Aufruf von 1953 die Soldaten der Waffen-SS aufgefordert, die SPD zu wählen“. Denn bleibt jedenfalls unklar, ob der Erblasser eine eigene Einschätzung abgegeben hat, gilt dies auch für die Begründung einer solchen.
(zz) Auch bei Passage 100 handelt es sich auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen um ein Fehlzitat im oben genannten Sinn. Zwar hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Erblasser die Sätze
„Warum wird denn jetzt dauernd die Gefahr von rechts beschworen? Irgendwelche Bänkelsänger rotten sich zusammen und machen ein Konzert gegen rechts. Es gibt keine Gefahr von rechts. Wo denn?“
tatsächlich so geäußert hat. Die Äußerung wird im Buch aber aus ihrem wirkli-chen Zusammenhang gerissen, in einen unzutreffenden Kontext gestellt und dadurch – in besonders schwerwiegender Weise – auch in ihrem Aussagegehalt verfälscht. Tatsächlich tätigte der Erblasser die zitierten Sätze nach den vom Be-rufungsgericht getroffenen Feststellungen nämlich in Bezug auf die Frage, ob die Partei der Republikaner zu einer Abwanderung von CDU-Wählern geführt hat. Im Buch wird indes durch die Einleitung
„Auf dem rechten Auge dagegen gibt er sich aus Überzeugung blind. Dabei waren die Anzeichen für neonazistischen Terror auch in der Zeit seiner Kanzlerschaft alarmierend genug.“
und den Nachsatz
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„Die Antwort ist schon in den neunziger Jahren nicht eben schwierig: mitten in der frisch vereinten Republik, in Hünxe, Solingen und Ho-yerswerda.“
dem verständigen Leser suggeriert, der Erblasser habe mit der wiedergegebenen Aussage Anzeichen für neonazistischen Terror in Deutschland aus Überzeugung verleugnet.
() Weiter wird dem Erblasser in Passage 101 eine Aussage unterge-schoben, die er so nicht gemacht hat. Dabei kann offenbleiben, ob dies schon daraus folgt, dass der Erblasser im zweiten Satz des Zitats hinsichtlich Kardinal Meisner mit den Worten zitiert wird
„80 Prozent des Klerus würden ein Kreuz machen, wenn er ver-schwände“,
wohingegen er nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tat-sächlich geäußert hat
„Und jetzt sei mal dort Kardinal und Bischof und weißt, dass 80% von deinem Klerus `n Kreuz schlagen würde, wenn du verschwinden wür-dest.“
Denn jedenfalls den vom Buch suggerierten Zusammenhang der angeblichen In-kompetenz des Kardinals und des angeblichen Wunsches des Klerus, er möge verschwinden, hat der Erblasser nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen in seiner tatsächlich getätigten Aussage nicht hergestellt.
() Zu Recht hat das Berufungsgericht auch Passage 104 als Fehlzitat gewertet. Die verkürzte Darstellung im Buch unterschlägt, dass der Erblasser die Aussage, bei Kurt Waldheim habe es sich um einen „anständigen Mann, der viel
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zu feige war, um unanständig zu sein“ gehandelt, als Zitat von Simon Wiesenthal gekennzeichnet und damit gerade nicht – wie für den vernünftigen Leser des Bu-ches zu verstehen – als unmittelbar eigene Bewertung getätigt hat. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hat der Erblasser nämlich tatsäch-lich gesagt:
„Ich halt den Waldheim für einen anständigen Mann, aber der Simon Wiesenthal hat ja ein ganz böses Urteil, er ist anständig, aber viel zu feige, um unanständig zu sein.“
(ɣɣ) Schließlich hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend auch Passage 111 als Fehlzitat eingeordnet. Während sich aus dem vom Berufungs-gericht festgestellten Gesamtzusammenhang, in dem die Aussage über Peter Boenisch tatsächlich fiel, ohne weiteres ergibt, dass der Erblasser nicht gemeint hat, Peter Boenisch habe nicht gewusst, wer die Herausgeber der FAZ sind, son-dern nur, dass er sie nicht persönlich gekannt und mit ihnen Umgang gepflegt habe, ist dies aus dem Buch nicht mehr hinreichend erkennbar. Durch das Her-ausreißen der Aussage des Erblassers aus seinem Kontext wurde damit auch sie in ihrem Aussagegehalt verzerrt.
(b) Durch die Veröffentlichung und Verbreitung der genannten Buchpas-sagen und der darin enthaltenen Fehlzitate wird das fortwirkende Lebensbild des Erblassers nicht nur infrage gestellt, sondern in grober Weise entstellt und der Erblasser damit in seinem postmortalen Persönlichkeitsrecht verletzt. Schon die ganz erhebliche Zahl der Fehlzitate führt hierzu. Hinzu kommt, dass einige der dem Erblasser untergeschobenen Aussagen auch bei isolierter Betrachtung un-ter Berücksichtigung des von ihm tatsächlich Gesagten geeignet sind, sein Le-bensbild erheblich – auch negativ – zu treffen.
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Allen voran gilt dies für Passage 100, in welcher der unzutreffende Ein-druck erweckt wird, der Erblasser habe die Gefahr rechtsextremistischen Terrors in Abrede gestellt, gebe sich nämlich – wie im Buch formuliert – „auf dem rechten Auge […] aus Überzeugung blind“. In die gleiche Richtung geht Passage 99, in der dem verständigen Leser mit unzutreffenden wörtlichen Zitaten der Eindruck vermittelt wird, der Erblasser habe “ ausgerechnet für die Waffen-SS […] reichlich Verständnis“ gezeigt. Für das Lebensbild des Erblassers schon bei isolierter Be-trachtung von erheblicher Bedeutung sind aber auch die dem Erblasser in den Passagen 29 („Schreckschraube“ zu Rita Süssmuth), 31 („Narr und Rechthaber“ zu Heiner Geißler) und 89 („Arschbackengesichter“ zu unter anderem den Bun-despräsidenten) untergeschobenen Beschimpfungen sowie die im – angebli-chen Wortlaut zwar gemäßigtere, vom Erblasser in dieser Art aber ebenfalls nicht geäußerte Pauschalkritik an seinem Nachfolger im Amt des Bundeskanz-lers Gerhard Schröder in Passage 54 („kalt wie ein Fisch“), an seiner Nach-Nach-folgerin Angela Merkel sowie an Friedrich Merz in Passage 3 („Das sind Leute, die es nicht können. Die Merkel hat keine Ahnung und der Fraktionsvorsitzende ist ein politisches Kleinkind“), an Hans-Dietrich Genscher in den Passagen 73 („nie einen Finger krumm machte“) und 93 („[…] und Genscher wollten immer ins Bett“) sowie an Jürgen Rüttgers in Passage 18 („Jede Dynamik ist weg. Dem sein Horizont ist [seine Heimatgemeinde] Pulheim.“). Schließlich verzerrt auch das angebliche Eingeständnis des Erblassers in Passage 11, er hasse Eberhard von Brauchitsch bis aufs Lebensende, das Lebensbild des Erblassers in schwerwie-gender Weise, wird er damit in der Sache doch zu Unrecht selbst als Zeuge für seine angebliche Unversöhnlichkeit bis zum Tode ins Feld geführt.
b) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch das Vorliegen der für einen Anspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog BGB erforderlichen ernstlichen Besorgnis weiterer Störungen, also der Wiederholungsgefahr, bejaht.
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In der mit der im Oktober 2014 erfolgten Veröffentlichung und dem sich anschlie-ßenden Vertrieb des – zunächst ungeschwärzten – Buches einhergehenden Ver-öffentlichung und Verbreitung auch der vorstehenden Passagen liegt die Erstbe-gehung, die eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr begründet (vgl. nur Senatsurteile vom 17. Dezember 2019 – VI ZR 249/18, AfP 2020, 143 Rn. 21 – Kommunalpolitiker; vom 30. April 2019 – VI ZR 360/18, NJW 2020, 53 Rn. 30 mwN). Dass Erstveröffentlichung und -verbreitung noch zu Lebzeiten des Erblassers erfolgten, ändert daran nichts. Denn sie verletzten den Erblasser rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, was sich schon daraus ergibt, dass der vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht gewährte Schutz nicht en-ger ist als derjenige des postmortalen Persönlichkeitsrechts, sondern im Gegen-teil – wie gezeigt – sogar weiter reicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. März 2012 – 1 StR 359/11, JR 2013, 34 Rn. 32; vom 19. Juni 1998 – 2 StR 189/98, NStZ 1998, 635, juris Rn. 8; BVerfG, NJW 2018, 770 Rn. 20; NJW 2001, 594, 595, juris Rn. 8). Besondere Umstände, welche die sich daraus ergebende Vermutung, die Beklagte zu 3 würde die genannten Passagen auch in Zukunft wieder veröffent-lichen oder verbreiten, widerlegen könnten, hat das Berufungsgericht weder fest-gestellt, noch zeigt die Revision der Beklagten zu 3 insoweit übergangenen Vor-trag auf.
c) Die Beklagte zu 3 ist als Verlegerin des Buches, das die unzulässigen Passagen enthält, unmittelbare Störerin (in der Diktion des I. Zivilsenats „Täterin“; zu den unterschiedlichen Begrifflichkeiten des erkennenden Senats einerseits und des I. Zivilsenats andererseits vgl. Senatsurteile vom 27. Februar 2018 – VI ZR 489/16, BGHZ 217, 350 Rn. 27 – Internetforum; vom 28. Juli 2015 – VI ZR 340/14, BGHZ 206, 289 Rn. 34; von Pentz, AfP 2014, 8, 16) und als solche in Bezug auf den Unterlassungsanspruch passivlegitimiert; auf die von den Parteien im Revisionsverfahren diskutierte Vorschrift des § 830 BGB kommt es daher nicht
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an (vgl. nur Senatsurteil vom 3. Februar 1976 – VI ZR 23/72, NJW 1976, 799, 800, juris Rn. 20 ff. – VUS; ferner HmbKommMedienR/Meyer, 4. Auflage, 40/7).
d) In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungs-gericht die Aktivlegitimation der Klägerin bejaht.
aa) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht zunächst da-von aus, dass Ansprüche zur Abwehr von Verletzungen des postmortalen Per-sönlichkeitsrechts von den vom Verstorbenen zu Lebzeiten hierzu berufenen Personen, im Übrigen von seinen nahen Angehörigen, zu denen die Klägerin als Ehefrau des Erblassers gehört, verfolgt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 1989 – I ZR 135/87, BGHZ 107, 384, 389, juris Rn. 26 – Emil Nolde; vom 17. Mai 1984 – I ZR 73/82, GRUR 1984, 907, 908, juris Rn. 23 – Frischzellenkosmetik; vom 20. März 1968 – I ZR 44/66, BGHZ 50, 133, 137 ff., juris Rn. 17 ff. – Mephisto).
bb) Ohne Erfolg wendet sich die Revision der Beklagten zu 3 gegen die Würdigung des Berufungsgerichts, § 14 Nr. 1 des Verlagsvertrags des Erblassers stehe einer gerichtlichen Geltendmachung des streitgegenständlichen Unterlas-sungsanspruchs durch die Klägerin schon seinem Inhalt nach nicht entgegen.
(1) Das Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt, aus einer Auslegung der Klausel ergebe sich zwar, dass diese nicht nur für einen Band der Memoiren, sondern vielmehr für das Gesamtprojekt habe gelten sollen; weiter spreche auch einiges dafür, dass die Geltung der Regelung nicht auf das Innenverhältnis zwi-schen dem Erblasser und dem Verlag beschränkt gewesen sei, sondern auch gegenüber Dritten habe Geltung beanspruchen sollen. Die Klausel habe aber nach ihrem Sinn und Zweck über die angeordneten Rechtsfolgen für die Fertig-stellung der Memoiren hinaus keine postmortale Wahrnehmungsberechtigung des Sohnes des Erblassers begründen sollen. Denn sie beziehe sich allein auf die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Form die Memoiren des Erblassers
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fertiggestellt werden sollten, woran die Annahme, sie beinhalte die konkludente Bestellung eines (ausschließlichen) Wahrnehmungsberechtigten auch im Hin-blick auf die postmortale Durchsetzung der streitgegenständlichen persönlich-keitsrechtlichen Belange letztlich scheitere.
(2) Hieran ist der erkennende Senat im Revisionsverfahren gebunden.
(a) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. nur Senats-urteil vom 10. März 2020 – VI ZR 316/19, NJW 2020, 2113 Rn. 11, mwN) ist die Auslegung von Individualvereinbarungen und -erklärungen grundsätzlich Sache des Tatrichters. Dessen Auslegung unterliegt im Revisionsverfahren nur einer eingeschränkten Überprüfung im Hinblick darauf, ob gesetzliche Auslegungs-grundsätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder ob die Ausle-gung auf Verfahrensfehlern beruht, etwa weil wesentliches Auslegungsmaterial unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen worden ist.
(b) Derartige Rechtsfehler sind im Streitfall nicht ersichtlich. Insbesondere kann auch den von der Revision der Beklagten zu 3 insoweit erhobenen Rügen ein solcher Fehler nicht entnommen werden.
(aa) Anders als die Revision der Beklagten zu 3 meint, ergibt sich ein ent-sprechender Rechtsfehler nicht daraus, dass das Berufungsgericht zu hohe An-forderungen an die Bestimmung eines Wahrnehmungsberechtigten gestellt hätte. Vielmehr ist das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin als nahe Angehörige durch die Regelung des § 14 Nr. 1 des Verlagsvertrags nur dann von ihrer grundsätzlich bestehenden Wahrnehmungsberechtigung ausgeschlossen sein könnte, wenn sich der Rege-lung der Wille des Erblassers positiv entnehmen ließe, dass nur sein Sohn be-rechtigt sein solle, seine postmortalen Belange auch im Hinblick auf andere Ver-
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öffentlichungen wahrzunehmen, die zwar – wie hier – in einem gewissen Zusam-menhang mit dem Projekt „Memoiren“ stehen, mit ihm aber nicht identisch sind. Dass das Berufungsgericht einen entsprechenden Schluss trotz der von ihm selbst in diesem Zusammenhang angenommenen „sehr weitreichenden Vertrau-ensstellung“ des Sohnes nicht zu ziehen vermochte, ist – anders als die Revision der Beklagten zu 3 meint – nicht Folge rechtsfehlerhaft überhöhter Anforderungen an die Bestimmung eines Wahrnehmungsberechtigten, sondern stellt vielmehr eine zulässige – nach Auffassung des erkennenden Senats im Übrigen auch in der Sache überzeugende – tatrichterliche Beurteilung dar. Die Verwendung des Wortes „zwingend“ durch das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang än-dert daran entgegen der von der Revision der Beklagten zu 3 vertretenen Auffas-sung nichts.
(bb) Ein im Revisionsverfahren relevanter Auslegungsfehler ergibt sich auch nicht daraus, dass sich das Berufungsgericht – wie die Revision weiter rügt mit dem Regelungsgehalt des § 14 Nr. 1 Satz 2 des Verlagsvertrags nicht argu-mentativ auseinandergesetzt hätte. Ausweislich seiner Ausführungen hatte das Berufungsgericht auch diese Regelung im Blick, konnte ihr nur einen Willen des Erblassers, seinen Sohn als – ausschließlich – Wahrnehmungsberechtigten auch im Hinblick auf seine hier streitgegenständlichen postmortalen Belange zu be-stellen, nicht entnehmen. Weitere Ausführungen des Berufungsgerichts waren aus Rechtsgründen insoweit nicht erforderlich.
(cc) Schließlich vermag der Senat auch nicht zu erkennen, warum die Er-wägungen des Berufungsgerichts zur Aktivlegitimation der Klägerin – wie die Re-vision der Beklagten zu 3 meint – im Widerspruch zu Ausführungen des Beru-fungsgerichts an anderer Stelle stehen sollen, wonach die vertragliche Ver-schwiegenheitspflicht des Beklagten zu 1 gegenüber dem Erblasser nach der in-
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soweit (konkludent) getroffenen Vereinbarung über den Tod des Erblassers hin-aus bestehe. Es widerspricht – auch unter den im Streitfall gegebenen Umstän-den – nicht den Gesetzen der Logik, einerseits den Beklagten zu 1 aufgrund einer von diesem mit dem Erblasser konkludent getroffenen Vereinbarung auch nach dessen Tod vertraglich zur Verschwiegenheit über den Inhalt der „Memoirenge-spräche“ für verpflichtet zu halten und andererseits die Wahrnehmungsberechti-gung der Klägerin in Bezug auf die Abwehr von mit der Veröffentlichung entspre-chender Inhalte verbundenen Verletzungen des postmortalen Persönlichkeits-rechts gegenüber der Beklagten zu 3 nicht für ausgeschlossen zu erachten.
(dd) Letztlich erschöpfen sich die von der Revision der Beklagten zu 3 insoweit erhobenen Rügen mithin in der revisionsrechtlich unbehelflichen – vom erkennenden Senat im Übrigen auch in der Sache nicht für zutreffend erachte-ten Darlegung, dass eine anderweitige Auslegung von § 14 Nr. 1 des Verlags-vertrags des Erblassers überzeugender gewesen wäre.
e) Für den streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch ohne Bedeu-tung ist schließlich, ob – wie die Revision der Beklagten zu 3 unter Bezugnahme auf in der Vorinstanz gehaltenen Sachvortrag geltend macht – „jedenfalls ein qua-litativ wesentlicher Teil der streitgegenständlichen Passagen auch durch ander-weitige Veröffentlichungen (SPIEGEL Online) für die Öffentlichkeit zugänglich“ wurde. Der – unterstellte – Umstand, dass die unzutreffenden Zitate auch an an-derer Stelle verbreitet wurden und/oder werden, ändert nichts daran, dass ihre Veröffentlichung im Buch der Beklagten den Erblasser zu seinen Lebzeiten in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzte und ihre Veröffentlichung oder Verbreitung nach dem Tod des Erblassers dessen postmortales Persönlichkeits-recht verletzt. Vieles spricht schon vor diesem Hintergrund dafür, dass das Beru-fungsgericht das entsprechende Beklagtenvorbringen nicht übergangen, son-dern – in der Sache zutreffend – als nicht erheblich beurteilt hat, zumal es auf die
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Veröffentlichung im SPIEGEL bezogenes Vorbringen des Beklagten zu 3 sogar ausdrücklich erwähnt. Jedenfalls aber wäre der von der Revision der Beklagten insoweit gerügte Gehörsverstoß danach nicht entscheidungserheblich, ebenso wenig ein Verstoß gegen § 286 ZPO.
f) Das hinsichtlich der vorgenannten Textpassagen auszusprechende Verbot beschränkt sich allerdings auf die Wiedergabe der Äußerungen in ihrem konkreten Kontext, was durch den Zusatz „wenn dies geschieht wie im (auch Hör-) Buch ‚VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE'“ zum Ausdruck zu brin-gen ist. Denn eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erb-lassers durch Veröffentlichung und Verbreitung der genannten Passagen kann nur kontextbezogen festgestellt werden (vgl. zum Unterlassungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts: Senatsurteil vom 11. Dezember 2012 – VI ZR 314/10, NJW 2013, 790 Rn. 32 – IM „Christoph“; BeckOK InfoMedienR/Söder, 33. Ed. 1.8.2021, BGB § 823 Rn. 282).
g) Entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten zu 3 ist die Unter-lassungsverpflichtung hinsichtlich der Passagen 1 bis 3, 11, 18, 21, 25, 29, 31, 43, 54, 62, 73, 81, 89, 93, 94, 100, 104 und 111 allerdings nicht auch deshalb zu weit gefasst, weil das Berufungsgericht – anders als hinsichtlich der Passagen 22, 48, 56, 61, 88, 90, 92, 99 und 101 – davon abgesehen hat, sie auf die wörtliche Veröffentlichung oder Verbreitung zu beschränken, sondern es insoweit vielmehr bei der landgerichtlichen Verurteilung der Beklagten zu 3 belassen hat, auch die sinngemäße Veröffentlichung oder Verbreitung der genannten Passagen zu un-terlassen. Da die Veröffentlichung oder Verbreitung dieser Passagen unzulässig ist, weil dem Erblasser in einer sein postmortales Persönlichkeitsrecht verletzen-den Weise Aussagen untergeschoben werden, die er nicht oder jedenfalls nicht so getätigt hat, und dies auch bei einer nur sinngemäßen Veröffentlichung oder Verbreitung der betreffenden Passagen und der darin enthaltenen angeblichen
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Äußerungen des Erblassers der Fall wäre, erstreckt sich die Unterlassungsver-pflichtung der Beklagten zu 3 hinsichtlich dieser Passagen auch auf eine sinnge-mäße Wiedergabe.
h) Nach alledem war die Revision der Beklagten zu 3 hinsichtlich der unter 1. im Einzelnen aufgeführten Passagen mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass diese Beklagte zur Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der jewei-ligen Passagen nur mit der Einschränkung „wenn dies geschieht wie im (auch Hör-) Buch ‚VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE'“ verurteilt wird.
2. Im Übrigen hat die Revision der Beklagten zu 3 Erfolg. Der vom Beru-fungsgericht weitergehend angenommene Unterlassungsanspruch wird von den Feststellungen im Berufungsurteil nicht getragen. Auf ihrer Grundlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass Veröffentlichung und Verbreitung der weiteren Buchpassagen das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers verletzen.
a) Von weiteren Fehlzitaten kann auf der Grundlage der bislang getroffe-nen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausgegangen werden. Insbeson-dere wird der Erblasser auf dieser Grundlage – anders als das Berufungsgericht meint – auch nicht in weiteren Teilen der Passagen 21, 54 oder 90 oder in den Passagen 12, 15, 17, 19, 20, 28, 33, 35, 38, 40, 46, 49, 53, 55, 57, 58, 59, 63, 65, 68, 70, 74, 82, 83, 85, 87, 97, 98 oder 106 in relevanter Weise falsch zitiert.
aa) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts vermag der Senat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen in Passage 12 kein relevantes Fehlzitat zu erkennen. Dass der Erblasser in Bezug auf Mitarbeiter des Auswär-tigen Amts anders als im Buch wiedergegeben nicht „die Arschlöcher vom Aus-wärtigen Amt“ gesagt hat, sondern – wie vom Berufungsgericht festgestellt – „das ist doch ein Verein von Arschlöchern“, stellt in der Sache keine relevante Abwei-chung dar. Auch die vom Berufungsgericht angenommene Kontextverfälschung
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liegt nicht vor. So wird im Buch hierzu ausgeführt, der Erblasser habe die zitierte Äußerung im Zusammenhang mit seiner Platzierung bei Staatsempfängen getä-tigt. Genau dies trifft nach den Feststellungen des Berufungsgerichts aber zu. Dass sie sich auf seine Platzierung bei einem bestimmten Staatsempfang bezog und nicht – wie das Buch („stets“) nahelegt – auf eine ständige Praxis, greift die Klägerin, die sich nur gegen das wörtliche Zitat als solches wendet, nicht an.
bb) Anders als das Berufungsgericht meint, kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei Passage 15 um ein relevantes Fehlzitat handelt. Dass sich der Erblasser je-denfalls dem Wortlaut nach wie im Buch wiedergegeben geäußert hat, hat das Berufungsgericht ausdrücklich festgestellt. Die – vom Berufungsgericht offenbar vermisste – Aussage, dass er Manfred Abelein für begabt halte, ergibt sich daraus unmittelbar. Dass im Buch nicht offengelegt wird, dass der Erblasser – wie vom Berufungsgericht festgestellt – mit der wiedergegebenen Äußerung erklären wollte, warum er Abelein nicht für einen geeigneten Verteidigungsminister hielt, verfälscht die Aussage des Erblassers ihrem Inhalt nach nicht. Gleiches gilt für den Umstand, dass im Buch von der „süßen Rache“ des Erblassers die Rede ist; denn hierbei handelt es sich erkennbar um eine eigene Würdigung des Beklagten zu 2 als Autor des betreffenden Buchabschnitts.
cc) Auch teilt der erkennende Senat die Würdigung des Berufungsgerichts nicht, Passage 17 stelle im Hinblick auf eine Kontextverfälschung ein unzulässi-ges Fehlzitat dar. Dass es dem Erblasser mit der zitierten Aussage nicht darum ging, die genannten Personen pauschal abzuqualifizieren, sondern ihr Verhalten ihm gegenüber im Parteipräsidium zu bewerten, ergibt sich aus Sicht eines un-voreingenommenen und verständigen Lesers hinreichend klar aus dem Gesamt-zusammenhang. Dem von der Klägerin angegriffenen Zitat werden auf Seite 85 des Buches nämlich folgende Sätze vorangestellt:
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„In einer Art Blitzüberprüfung durchleuchtet er die Recken aus dem einstigen Parteipräsidium. 1990 war es besonders grausam zusam-mengesetzt.“
dd) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich auch bei Passage 19 auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht um ein Fehlzitat. Dass sich der Erblasser mit einem nur unwesentlich abweichenden Wortlaut wie zitiert geäußert hat, hat das Berufungsgericht festgestellt. Eine den Aussagegehalt verzerrende Kontextverfälschung vermag der Senat nicht zu er-kennen. Auch wenn – worauf das Berufungsgericht abstellt – die Bernhard Jagoda betreffende Äußerung im Zusammenhang mit den Ausführungen des Erblassers zur schwierigen Personallage der CDU in Bezug auf die Sozialpolitik gefallen ist, betraf sie Jagoda pauschal und nicht nur in Bezug auf seine sozialpolitischen Ansätze.
ee) Auch Passage 20 vermag der erkennende Senat ein Fehlzitat nicht zu entnehmen. Dass die Zusammenfassung von drei Aussagen zu einem Zitat (in der Diktion des Berufungsgerichts „Kombizitat“) Aussagegehalt, Tendenz oder Färbung der Einzelaussagen verfälscht hätte, kann auf der Grundlage der bishe-rigen Feststellungen im Berufungsurteil nicht angenommen werden.
ff) Passage 21 enthält – wie oben dargelegt – insoweit ein Fehlzitat, als der Erblasser mit der Aussage „aber er war kein Großer“ zitiert wird. Hierüber hin-ausgehende relevante Fehlzitate finden sich in dieser Passage aber nicht. Aus der Feststellung des Berufungsgerichts, dass für den Leser nicht erkennbar zwei verschiedene Äußerungen des Erblassers zusammengefügt worden seien, lässt sich nicht ableiten, Aussagegehalt, Tendenz oder Färbung dieser Äußerungen seien durch deren Kombination verfälscht worden.
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gg) Entsprechendes gilt für Passagen 28 und 33, bezüglich derer das Be-rufungsgericht ebenfalls von einem sogenannten „Kombizitat“ bzw. einer „willkür-lich aus mehreren Äußerungen des Erblassers zusammengesetzten Passage“ ausgeht, ohne dass den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ent-nommen werden könnte, dass die Kombination der Äußerungen deren Gehalt in irgendeiner Weise verzerrte.
hh) Auch beim wörtlichen Zitat in Passage 35 handelt es sich nicht um ein Fehlzitat. Dass der Erblasser in Bezug auf Kurt Biedenkopf die dort wiedergege-bene Aussage „Der hat es nicht ertragen, dass meine Macht immer deutlicher geworden war.“ tatsächlich von sich gegeben hat, hat das Berufungsgericht aus-drücklich festgestellt. Diese Aussage wird nicht dadurch verfälscht, dass im Buch nicht zugleich mitgeteilt wird, der Erblasser habe auch gesagt, es habe „keinen bösen Abgang“ gegeben. Soweit im Buch in diesem Zusammenhang zudem aus-geführt wird, Biedenkopf sei in den Augen des Erblassers schon immer ein zwie-lichtiger Geselle gewesen, getrieben von Ehrgeiz und Eifersucht, handelt es sich auch aus der insoweit maßgeblichen Perspektive des unvoreingenommenen und verständigen Lesers ersichtlich um eigene Schlussfolgerungen des Beklagten zu 2 als Autor dieses Buchabschnitts.
ii) Passage 38 lässt sich auf der Grundlage der Feststellungen des Beru-fungsgerichts ebenfalls kein Fehlzitat entnehmen. Zwar ist das Berufungsgericht zum Ergebnis gelangt, die Passage stelle ein unzulässiges Kombizitat dar, wel-ches aus drei verschiedenen Zitaten des Erblassers zusammengesetzt worden sei, deren konkreter zeitlicher beziehungsweise inhaltlicher Zusammenhang je-denfalls aus den vorgelegten Teilen des Transkriptes nicht zu erkennen sei; dem-gegenüber gehe der durchschnittliche Rezipient nach dem Kontext der Darstel-lung des Buches von einem stringenten Erzählfluss des Erblassers aus, der sich in einer Art Generalabrechnung der Person Lothar Späth zuzuwenden scheine.
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Indes reichen auch diese Feststellungen nicht für den für die Annahme eines Fehlzitats erforderlichen Schluss, das vom Erblasser tatsächlich Gesagte sei durch die Kombination in Aussagegehalt, Tendenz oder Färbung verfälscht wor-den.
jj) Auch bei Passage 40 handelt es sich auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht um ein Fehlzitat. Dass das Zitat die Aussage des Erblassers inhaltlich weitgehend zutreffend wiedergibt, hat das Berufungsgericht festgestellt. Die vom Berufungsgericht angenommene Kontextverfälschung vermag der Se-nat nicht zu erkennen. Dass es sich bei der zitierten Passage nicht nur um eine vom Erblasser geäußerte Kritik an der Zeitschrift DER SPIEGEL, die das Buch durchaus wiedergibt, handelt, sondern in ihr zugleich Schadenfreude des Erblas-sers zum Ausdruck kommen soll, ist – für den verständigen Leser ohne weiteres erkennbar – eine eigene Bewertung der Aussage durch den Beklagten zu 2 als Autor dieses Buchabschnitts.
kk) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich auch bei Passage 46 nicht um ein in Bezug auf das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers relevantes Fehlzitat. Dass sich der Erblasser wie im Buch wieder-gegeben geäußert hat, hat das Berufungsgericht ausdrücklich festgestellt. Ob es sich bei der Äußerung – wie der Beklagte zu 2 als Autor dieses Buchabschnitts meint – um ein „Sich-Luft-Verschaffen“ wegen langjähriger Zerstrittenheit oder wie das Berufungsgericht ausführt – um einen „despektierlichen […] Ein-schub colorandi causa“ handelt, hängt ersichtlich von der persönlichen Bewer-tung des Rezipienten ab. Demgemäß handelt es sich auch bei der Aussage, der Erblasser habe sich mit der Äußerung „Luft verschafft“, erkennbar um eine ei-gene Bewertung und Einordnung der Äußerung durch den Beklagten zu 2 als Autor dieses Buchabschnitts und damit nicht um eine Verzerrung des vom Erb-lasser Gesagten.
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ll) Auch Passage 49 enthält auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kein relevantes Fehlzitat. Zwar hat das Berufungsge-richt auch insoweit festgestellt, es handle sich bei dem wörtlichen Zitat um ein nach Auffassung des Berufungsgerichts unzulässiges – Kombizitat, das aus ver-schiedenen Zitaten des Erblassers zusammengesetzt worden sei, ohne dass dies für einen durchschnittlichen Rezipienten erkennbar sei, der angesichts der im Buch dargestellten Einleitung von einem stringenten Erzählfluss des Erblas-sers ausgehe. Allein hieraus kann aber nicht geschlossen werden, dass mit der von der Klägerin angegriffenen Passage die entsprechenden Äußerungen des Erblassers verzerrt worden wären. Im Gegenteil geht auch das Berufungsgericht davon aus, die Kombination ändere an der grundsätzlich zutreffenden Wieder-gabe und der damit verbundenen negativen Bewertung Peter Müllers durch den Erblasser nichts. Soweit das Berufungsgericht offengelassen hat, ob der Erblas-ser Peter Müller tatsächlich – wie im Buch wiedergegeben – als „charakterlich wirklich eine Null“ bezeichnet hat, ist die Authentizität dieser Äußerung in Bezug auf die Revision der Beklagten zu 3 revisionsrechtlich zu unterstellen.
mm) Kein relevantes Fehlzitat findet sich weiter in Passage 53. Zwar hat das Berufungsgericht auch insoweit festgestellt, es handle sich bei der im Buch als wörtliches Zitat wiedergegebenen Aussage des Erblassers um ein – nach Auf-fassung des Berufungsgerichts unzulässiges – „Kombizitat“, das aus verschiede-nen Äußerungen des Erblassers zusammengesetzt worden sei, ohne dass dies für den durchschnittlichen Rezipienten erkennbar sei. Doch auch insoweit ist auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht er-sichtlich, dass die tatsächlichen Aussagen des Erblassers durch ihre Kombina-tion in Bedeutung, Tendenz oder Färbung verzerrt worden wären. Im Gegenteil geht selbst das Berufungsgericht davon aus, der Erblasser sei inhaltlich weitge-hend zutreffend wiedergegeben worden.
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nn) Passage 54 enthält – wie oben dargestellt – insoweit Fehlzitate, als der Erblasser hinsichtlich Gerhard Schröder mit den Aussagen zitiert wird „Er ist kalt wie ein Fisch“ und er, Gerhard Schröder, empfinde „nicht wirklich Gefühle der Freundschaft“. Weitere relevante Fehlzitate enthält die Passage indes nicht. So-weit das Berufungsgericht festgestellt hat, der Erblasser habe nicht – wie im Buch berichtet – gesagt „lässt das Messer in der Seite stecken“, sondern vielmehr „lässt das Messer in der Sau stecken“, liegt in der Abweichung keine relevante Verfäl-schung des Aussagegehalts.
oo) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann auf der Grund-lage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen auch nicht davon aus-gegangen werden, dass es sich bei Passage 55 um ein Fehlzitat handelt. Dass der Erblasser den Begriff „Ehrenmann“ tatsächlich anders gemeint hat, als er aus dem Zusammenhang im Buch aus Sicht des unvoreingenommenen und verstän-digen Lesers zu verstehen ist, folgt aus den Feststellungen des Berufungsge-richts nicht. Insbesondere greift die Definition des Ehrenmannes durch das Be-rufungsgericht zu kurz. Ein „Ehrenmann“ ist im allgemeinen Sprachgebrauch nicht – wie das Berufungsgericht meint – nur derjenige, der „sein Ehrenwort gibt und dieses hält“, sondern – weiter – jeder „ehrenhafte Mann, auf dessen Wort man sich verlassen kann“ (vgl. www.duden.de/rechtschreibung/Ehrenmann unter „Be-deutung“).
pp) Passage 57 stellt – anders als das Berufungsgericht meint – kein rele-vantes Fehlzitat dar. Dass der Erblasser Walter Momper als „Rüpel“ bezeichnet hat, hat das Berufungsgericht ausdrücklich festgestellt. Dass dies – wie das Be-rufungsgericht meint – „beiläufig“ geschehen ist und es sich nicht um eine „ge-zielte Charakterisierung“ handelt, ändert an der Richtigkeit des Zitats nichts.
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qq) Anders als das Berufungsgericht meint, ist auch Passage 58 kein Fehl-zitat. Zwar hat der Erblasser Michael Naumann nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht – wie im Buch wiedergegeben – als „Schwätzer vor dem Herren“, sondern als „dieser Schwätzer da aus Hamburg“ bezeichnet. Eine relevante Verzerrung des vom Erblasser tatsächlich Gesagten liegt in dieser Unsauberkeit aber nicht.
rr) Auch Passage 59 enthält auf der Grundlage der Feststellungen des Be-rufungsgerichts kein relevantes Fehlzitat. Dass sich die Zitate – wie das Beru-fungsgericht festgestellt hat – aus drei verschiedenen Äußerungen des Erblas-sers zusammensetzen („Kombizitat“), die einer längeren Schilderung des Erbla-sers zu Jochen Vogel entstammen, ändert daran nichts. Denn hieraus allein lässt sich nicht der Schluss ziehen, der Aussagehalt der entsprechenden Äußerungen des Erblassers werde verzerrt.
ss) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann auf der Grund-lage seiner Feststellungen auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei Passage 63 um ein Fehlzitat infolge Kontextverfälschung handelt. Dass der Erblasser Petra Kelly als „Agentin“ bezeichnet hat, trifft zu. Dass er dies nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Rahmen einer „eher beiläufigen“ Er-wähnung ihrer Person getan hat, ändert daran ebenso wenig etwas wie die im Buch als solche erkennbare Einschätzung des Beklagten zu 2 als Autor dieses Buchabschnitts, bei Petra Kelly habe es sich für den Erblasser um eine der „Reiz-figuren der ersten Stunde“ gehandelt. Schließlich teilt der erkennende Senat auch nicht die Auffassung des Berufungsgerichts, aus Sicht eines unvoreinge-nommenen und verständigen Lesers des Buches sei das Zitat „diese Agentin“ dahingehend zu verstehen, der Erblasser habe Petra Kelly Spionagetätigkeit im eigentlichen Sinn vorgeworfen.
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tt) Auch Passage 65 hat das Berufungsgericht auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen zu Unrecht als Fehlzitat gewertet. Nach seinen Feststellungen hat der Erblasser Hildegard Hamm-Brücher tatsächlich als „Spe-zialziege“ und als „eines der bösartigsten Weiber in der Geschichte der Republik“ bezeichnet. Dass er die Bezeichnungen nicht – wie das Buch zum Ausdruck bringt in unmittelbarer Folge, sondern völlig unabhängig voneinander in zwei unterschiedlichen Zusammenhängen verwendete, verzerrt die wiedergegebene Aussage des Erblassers nicht.
uu) Ein relevantes Fehlzitat lässt sich auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen auch Passage 68 nicht entnehmen. Dass die vom Berufungsge-richt festgestellte Kombination von drei verschiedenen Aussagen („Kombizitat“) zur Verzerrung von Bedeutungsgehalt, Tendenz oder Färbung der wiedergege-benen Aussagen des Erblassers geführt hat, ergibt sich aus den Feststellungen nicht. Ebenfalls nicht zu einer solchen Verzerrung führt der Umstand, dass im Buch nicht dargelegt wird, dass der Erblasser sich im Übrigen auch positiv über Otto Graf von Lambsdorff geäußert hat.
vv) Auch in Passage 70 wird dem Erblasser keine Äußerung untergescho-ben, die er so nicht getätigt hat. Das vom Berufungsgericht für belegt erachtete Zitat wird entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht dadurch falsch, dass der Erblasser insgesamt das Bild einer positiven Haltung seiner ersten Ehe-frau gegenüber François Mitterand zeichnete.
ww) Anders als das Berufungsgericht meint, lässt sich auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen auch Passage 74 kein Fehlzitat im Hinblick auf eine Kontextverfälschung entnehmen. Dass der Erblasser die insoweit wiederge-gebene Äußerung tatsächlich getätigt hat, hat das Berufungsgericht festgestellt. Ob das Wort „Genscherismus“ – wie im Buch behauptet – vom Erblasser selbst
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geprägt wurde oder – wie das Berufungsgericht festgestellt hat – nach den Anga-ben des Erblassers von den Vertriebenen stammt, ist für die Richtigkeit des Zitats ohne Bedeutung. Denn die Behauptung, der Erblasser habe sich dahingehend geäußert, den Begriff selbst geprägt zu haben, lässt sich Passage 74 entgegen der von der Revisionserwiderung der Klägerin ausdrücklich geteilten Auffassung des Berufungsgerichts gerade nicht entnehmen.
xx) Auch Passage 82 stellt kein relevantes Fehlzitat dar. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts erweckt das Buch nicht den Eindruck, das Zi-tat habe sich auf das Verhalten Weizsäckers im Amt des Bundespräsidenten be-zogen. Zwar wird ein gewisser Bezug zum Amt des Bundespräsidenten dadurch hergestellt, dass unmittelbar vor dem in Rede stehenden Zitat des Erblassers ausgeführt wird, Weizsäcker habe das „ersehnte Amt“ (also das Amt des Bun-despräsidenten) dazu benutzt, um weiterhin eigenes Profil zu schärfen. Dass sich die wiedergegebene Charakterisierung Weizsäckers durch den Erblasser aber auf Weizsäcker insgesamt, also auch auf sein Selbstbildnis unabhängig von sei-nem Verhalten als Bundespräsident bezog, ergibt sich für den unvoreingenom-menen und verständigen Leser schon daraus, dass Weizsäcker nach dem Inhalt des Zitats auch bereit gewesen wäre, das Amt des Bundeskanzlers zu bekleiden, was realistischer Weise nur vor dem Amt des Bundespräsidenten in Betracht ge-kommen wäre. Die vom Berufungsgericht angenommene Verzerrung des Aus-sagegehalts des vom Erblasser tatsächlich Gesagten wegen Kontextverfäl-schung vermag der Senat deshalb nicht zu erkennen. Eine relevante Verzerrung der Aussage des Erblassers ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass in der Passage mehrere vom Erblasser zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in unter-schiedlichen Zusammenhängen geäußerte Einschätzungen zu einem einheitli-chen Zitat zusammengefasst werden; insbesondere werden seine Aussagen durch die bloße Kombination nicht verschärft.
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yy) Passage 83 enthält nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wiederum ein sogenanntes, nach Auffassung des Berufungsgerichts unzulässi-ges „Kombizitat“, weil es – so das Berufungsgericht – aus mehreren Äußerungen des Erblassers zusammengesetzt sei, ohne dass dies für den Leser erkennbar werde. Dass durch diese Kombination der Aussagegehalt der einzelnen Äuße-rungen in irgendeiner Weise verzerrt würde, lässt sich dem nicht entnehmen. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts kann mithin auch bezüglich Passage 83 nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um ein Fehlzitat handelt.
zz) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsge-richts kann auch Passage 85 nicht als relevantes Fehlzitat eingeordnet werden. Zwar spricht das Berufungsgericht insoweit von einem „besonders schwerwie-genden Fall eines unzulässigen Kombizitats“. Dass hierdurch die kombinierten Einzelaussagen des Erblassers in ihrem Bedeutungsgehalt, ihrer Färbung oder ihrer Tendenz verfälscht würden, kann auf der Grundlage der getroffenen Fest-stellungen aber nicht angenommen werden. Im Übrigen trifft es auch nicht zu, dass – wie das Berufungsgericht meint – in Passage 85 der Eindruck eines strin-genten Erzählflusses erweckt wird; vielmehr ergibt sich aus Passage 85 („wie Kohl ein andermal sagt“, „Im Memoirengespräch wird er deutlich“) selbst, dass die zitierten Aussagen zu unterschiedlichen Zeitpunkten gefallen sind.
) Auch Passage 87 stellt entgegen der Auffassung des Berufungsge-richts kein Fehlzitat dar. Dass sich der Erblasser dem Wortlaut nach entspre-chend geäußert hat, hat das Berufungsgericht festgestellt. Dass es sich bei der negativen Einschätzung der ersten Ehefrau des Erblassers um die entschei-dende Hürde für eine Kandidatur Steffen Heitmanns als Bundespräsident gehan-delt hat, ist ersichtlich eine eigene Einschätzung des Beklagten zu 2 als Autor dieses Buchabschnitts.
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) Passage 88 enthält – wie gezeigt – insoweit ein Fehlzitat, als der Erb-lasser hier mit den Worten zitiert wird, im abschließenden Band der Memoiren werde er sich „über den Rau auslassen“. Weitere Fehlzitate finden sich auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hier nicht. Dass sich der Erblasser im Wortlaut weitgehend entsprechend geäußert hat, hat das Berufungsgericht ausdrücklich festgestellt. Dass er darüber hinaus – was im Buch nicht wiedergegeben wird – auch erklärt hat, sein Verhältnis zu Johannes Rau sei „ursprünglich ausgesprochen gut“ sowie „normal und kulant“ gewesen, ändert an der Richtigkeit der wiedergegebenen Zitate nichts.
ɣɣ) Passage 90 enthält – wie oben dargelegt – insoweit Fehlzitate, als der Erblasser mit den Aussagen „dieses Subjekt“, „der mit der Kerze“ und „der sich durch die Geschichte lügt, dass es eine Schande ist“, zitiert wird. Hierüber hin-ausgehende relevante Fehlzitate finden sich in Passage 90 aber nicht. Insbeson-dere folgt aus dem Umstand, dass der Erblasser nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht – wie im Buch wiedergegeben – vom „Volkshoch-schulhirn“, sondern vom „Volkshochschulminderautorenhirn“ von Thierse ge-sprochen hat, keine relevante Verzerrung seiner Aussage.
) Ein relevantes Fehlzitat kann, anders als das Berufungsgericht meint, auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen auch Passage 97 nicht entnommen werden. Bei der im Buch in diesem Zusammenhang enthaltenen Aussage, der Erblasser verstehe es, wie ein altlinker Sponti zu zürnen, und gei-ßele die Auswüchse des Kapitalismus, handelt es sich – für den unvoreingenom-menen und verständigen Leser des Buches ohne weiteres ersichtlich – um eine eigene Bewertung der Aussagen des Erblassers durch den Beklagten zu 2, die das Zitat als solches nicht verfälscht. Auch dass es sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei Passage 97 um ein (weiteres) sogenanntes „Kombizi-
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tat“ handelt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn den bisherigen Feststellun-gen kann nicht entnommen werden, dass der Gehalt der einzelnen Äußerungen des Erblassers durch die Kombination verfälscht worden wäre.
) Auch in Passage 98 findet sich kein relevantes Fehlzitat. Soweit das Berufungsgericht hier wiederum vom Vorliegen eines sogenannten – aus seiner Sicht unzulässigen – „Kombizitats“ ausgeht, kann den bislang getroffenen Fest-stellungen nicht entnommen werden, dass sich durch die Kombination der Äuße-rungen des Erblassers deren Aussagegehalt geändert hätte.
ζζ) Schließlich stellt auch Passage 106 auf der Grundlage der vom Beru-fungsgericht getroffenen Feststellungen kein relevantes Fehlzitat dar. Zwar mag die im Buch wiedergegebene Aussage des Erblassers über Martin E. Süskind
„das Letzte, was es gibt.“
die vom Berufungsgericht festgestellte tatsächliche Aussage des Erblassers
„Ich kenne den Herrn Süskind seit vielen Jahren. Der Süskind, den ich kannte, hat von mir noch einen gewissen Respekt verdient. Aber der Süskind, den ich heute seh in ihrer Zeitung, das ist doch mit ’s Letzte, was es gibt.“
verkürzt wiedergeben. Eine relevante Verzerrung des Aussagegehalts liegt darin aber nicht. Denn der Erblasser hat Martin E. Süskind, wie er ihn im Zeitpunkt des „Memoirengesprächs“ erlebt hat, tatsächlich als „mit ’s Letzte, was es gibt“ be-zeichnet. Nichts Anderes ergibt sich aus Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Lesers des Buches, der ohne anderslautende Angaben davon aus-gehen muss, dass sich die wiedergegebene Einschätzung des Erblassers auf den „aktuellen“ Martin E. Süskind bezieht.
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b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verletzen Veröffentli-chung und Verbreitung von Zitaten aus den Passagen Nr. 15, 20, 58, 59, 95, 96, 110 und 113 auch nicht deshalb das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erb-lassers, weil es sich bei ihnen um sogenannte „Sperrvermerkszitate“ handelt.
aa) Das Berufungsgericht meint einen Eingriff in die Menschenwürde und eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers auch in der Veröffentlichung von Zitaten erkennen zu können, die vom Erblasser zwar tatsächlich geäußert, jedoch von ihm mit einem die Veröffentlichung ausdrücklich ausschließenden Zusatz versehen wurden (sogenannte „Sperrvermerkszitate“). Denn – so das Berufungsgericht – der Beklagte zu 2 habe zwar selbst vorgetra-gen, sich an entsprechende Anweisungen des Erblassers gebunden zu fühlen und diese zu akzeptieren, dies dann aber nicht eingehalten, sondern die betref-fenden Äußerungen nicht nur ihrem Inhalt nach, sondern auch in der konkret vom Erblasser anlässlich des vertraulichen Gesprächs mit dem Beklagten zu 1 ge-wählten Ausdrucksweise veröffentlicht. In diesem Verhalten, das in massiver und direkt vorsätzlicher Weise zur Durchsetzung der eigenen publizistischen und auch wirtschaftlichen Interessen die Belange des Erblassers negiere und ihn öf-fentlich bloßstelle, sei – so das Berufungsgericht weiter – ebenfalls ein Eingriff in die Menschenwürde zu sehen.
bb) Der erkennende Senat teilt diese Auffassung nicht. Das postmortale Persönlichkeitsrecht schützt den Verstorbenen grundsätzlich nicht davor, mit Aussagen zitiert zu werden, die er zu Lebzeiten im vertraulichen Gespräch mit der ausdrücklichen Erklärung, sie nicht veröffentlichen zu wollen, getätigt hat.
(1) Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs schützt das postmortale Persönlichkeitsrecht den Ver-
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storbenen – wie gezeigt (vgl. oben unter B. I. 1. a bb) – insbesondere davor, her-abgewürdigt oder erniedrigt zu werden. Zum anderen genießt aber auch der sitt-liche, personale und soziale Geltungswert, den der Verstorbene durch seine ei-gene Lebensleistung erworben hat, Schutz, weshalb der durch die Lebensstel-lung erworbene Geltungsanspruch nicht grob entstellt werden darf. Beide Schutz-aspekte werden durch die bloße Veröffentlichung der sogenannten „Sperrver-merkszitate“, also durch die inhaltlich zutreffende, aber weisungswidrige Veröf-fentlichung im Vertrauen getätigter, nicht ehrbeeinträchtigender Äußerungen des Verstorbenen nicht tangiert.
(2) Der erkennende Senat sieht keinen Anlass, den Schutz des postmor-talen Persönlichkeitsrechts im Wege der Rechtsfortbildung auf den Schutz vor der postmortalen Veröffentlichung oder Verbreitung solcher „Sperrvermerkszi-tate“ zu erweitern. Eine solche Erweiterung verbietet sich schon deshalb, weil dies in der Sache auf den Schutz vor bloßen Indiskretionen hinausliefe, den nicht einmal das lebenden Menschen zukommende allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährt (vgl. Senatsurteile vom 26. November 2019 – VI ZR 12/19, NJW 2020, 770 Rn. 32; vom 10. März 1987 – VI ZR 244/85, NJW 1987, 2667, 2668, juris Rn. 15 – BND-Interna); der Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts geht aber nicht über denjenigen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hinaus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. März 2012 – 1 StR 359/11, JR 2013, 34 Rn. 32; vom 19. Juni 1998 – 2 StR 189/98, NStZ 1998, 635, juris Rn. 8; BVerfG, NJW 2001, 594, 595, juris Rn. 8). Schließlich wäre das in einem solchen Schutz zum Aus-druck kommende Selbstbestimmungsrecht Ausfluss des allein der lebenden Per-son zukommenden Art. 2 Abs. 1 GG. Ob anderes in Bezug auf Äußerungen des Verstorbenen zu gelten hätte, die – zu seinen Lebzeiten – seine Intimsphäre be-träfen (vgl. hierzu BVerfG, GRUR-RR 2008, 206 Rn. 15 – „Ehrensache“; Schmitt in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, 2. Aufl., § 29
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Rn. 42 ff.), kann offenbleiben; denn um derartige Äußerungen geht es im Streitfall nicht.
c) Anders als das Berufungsgericht meint, wird das postmortale Persön-lichkeitsrecht des Erblassers auch nicht alleine dadurch verletzt, dass vom Erb-lasser in den „Memoirengesprächen“ getätigte Aussagen als wörtliche Zitate ver-öffentlicht oder verbreitet werden. Den vom Berufungsgericht angenommenen Schutz eines Verstorbenen vor einer Wiedergabe wörtlicher Zitate unter dem Ge-sichtspunkt einer sogenannten „bildnisgleichen Verdinglichung der Person“ gibt das postmortale Persönlichkeitsrecht nicht her.
aa) Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, die Wiedergabe von Äu-ßerungen des Erblassers in wörtlicher Form unter Kennzeichnung des Zitierens stelle unabhängig davon, ob die einzelnen Zitate authentisch seien, einen Eingriff in die Menschenwürde des Erblassers dar. Zur Begründung hat es unter ande-rem ausgeführt, der Schutz gegen die ungenehmigte wörtliche Wiedergabe sei im Hinblick auf die damit verbundene Verfügung über die auf den Tonbändern fixierten Aufnahmen der Stimme des Erblassers als „bildnisgleiche Verdingli-chung seiner Person“ entsprechend dem in § 22 Satz 3 KUG zum Ausdruck kom-menden Rechtsgedanken auch postmortal noch einschlägig. Dabei sei – wegen der möglichen Betroffenheit von Art. 1 Abs. 1 GG noch auf Tatbestandsebene – nach den Gesamtumständen des jeweiligen Falles abzuwägen, ob die ungeneh-migte Veröffentlichung der auf Tonband fixierten Äußerungen des Erblassers ge-rade in ihrer wörtlichen Form eine Verletzung der Menschenwürde darstelle. Dies sei im Streitfall zu bejahen.
bb) Der Senat vermag auch unter Berücksichtigung dieser und der weite-ren Erwägungen des Berufungsgerichts nicht zu erkennen, warum auch Veröf-fentlichung und Verbreitung solcher Zitate die Menschenwürde und damit das
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postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers verletzen sollen, die nach den obigen Ausführungen nicht als Fehlzitate zu qualifizieren sind.
(1) Schon im Ausgangspunkt schützt das postmortale Persönlichkeits-recht Verstorbene nicht – auch nicht unter dem vom Berufungsgericht herange-zogenen Rechtsgedanken des § 22 KUG – davor, in der Sache zutreffend wörtlich zitiert zu werden, mag der Verstorbene die wiedergegebene Aussage auch ver-traulich und in der mitgeteilten Erwartung von sich gegeben haben, der Adressat behalte sie für sich. Soweit bei Lebenden insoweit nach den konkreten Umstän-den des Einzelfalls das allgemeine Persönlichkeitsrecht unter dem Gesichtspunkt der Privatsphäre, der Geheim- und Vertraulichkeitssphäre und/oder des Rechts am gesprochenen Wort betroffen sein kann, folgt der entsprechende Schutz je-denfalls im Grundsatz aus den sich aus Art. 2 Abs. 1 GG ergebenden Gewähr-leistungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die Toten gerade nicht zu-stehen.
(2) In Bezug auf Zitate, die nicht als Fehlzitate zu qualifizieren sind, kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie – wie für eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts erforderlich (siehe oben) – den durch die Lebensstellung erworbenen Geltungsanspruch des Erblassers grob entstellen.
(a) Eine solche grobe Entstellung ergibt sich zunächst nicht daraus, dass Stimmung, Lautstärke oder Tonfall des Erblassers hinsichtlich der inhaltlich nicht als relevante Fehlzitate zu qualifizierenden wörtlichen Zitate verfälscht worden wären. Zwar will das Berufungsgericht solche Verfälschungen „in einer Vielzahl von Fällen“ im Rahmen der von ihm vorgenommenen Abwägung zugunsten des Erblassers berücksichtigen. Konkrete Feststellungen, die solche Verfälschungen tragen könnten, hat es aber nicht getroffen.
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(b) Eine grobe Entstellung des Lebensbildes des Erblassers ergibt sich auch nicht daraus, dass im Buch – wie jedenfalls das Berufungsgericht meint – aus einer Gesamtaufnahme von 600 Stunden nur diejenigen Äußerungen des Erblassers ausgewählt, stark gekürzt und sodann personenbezogen zusammen-gestellt worden wären, in denen er sich weniger über Sachfragen als über die Persönlichkeit Dritter – fast ausnahmslos derbe – äußerte. Ein grob unzutreffender Eindruck von Inhalt und Ablauf der „Memoirengespräche“ wird auch insoweit nicht vermittelt.
Zunächst wird im vom Berufungsgericht in Bezug genommenen, von den Beklagten zu 1 und 2 verfassten Vorwort des Buches ausdrücklich klargestellt, dass aus den vorliegenden Dokumenten aus juristischen Gründen nur recht knapp habe zitiert werden dürfen. Daraus ergibt sich für den unvoreingenomme-nen und verständigen Leser des Buches ohne weiteres, dass die wiedergegebe-nen Originalzitate nur einen kleinen Teil der gesamten Äußerungen des Erblas-sers darstellen. Der unzutreffende Eindruck, der Erblasser habe sich in den „Me-moirengesprächen“ nur oder jedenfalls weit überwiegend in einer andere Perso-nen abwertenden Weise geäußert, kann sich aus der getroffenen Auswahl alleine schon deshalb nicht ergeben. Im Übrigen trifft auch die im Revisionsverfahren voll überprüfbare Würdigung des Berufungsgerichts nicht zu, im Buch würden fast ausnahmslos Zitate wiedergegeben, in denen der Erblasser politische Geg-ner oder auch Weggenossen teilweise derbe bezeichne beziehungsweise sich einer Sprache bediene, wie sie jedenfalls im europäischen Raum unüblich sei. Dies mag für die von der Klägerin angegriffenen Passagen zutreffen, nicht aber für das Buch insgesamt.
Auch der vom Berufungsgericht angenommene Eindruck, die wiedergege-benen, andere Personen abwertenden Äußerungen des Erblassers seien in ei-nem einheitlichen Redefluss, in einer eine „Abrechnung“ nahelegenden Weise
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erfolgt, trifft in weiten Teilen – was der erkennende Senat selbst beurteilen kann nicht zu. Schon die Gliederung des Buches in – teilweise – einzelne Personen-gruppen betreffende Kapitel (etwa II.3.: […] – Helmut Kohl und seine Partei-freunde; II.4.: […] – Helmut Kohls politische Gegner; II.6.: Fünf Freunde; II.7.: Das ungeliebte Amt – Helmut Kohl und die Bundespräsidenten) legt einem unvorein-genommenen und verständigen Leser nahe, dass die Autoren insoweit eine per-sonenbezogene Zusammenstellung und nicht etwa eine chronologische Nach-zeichnung der Äußerungen des Erblassers während der „Memoirengespräche“ vorgenommen haben. Abweichungen im Detail reichen für eine grobe Entstellung des Lebensbildes des Erblassers, wie sie für eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers erforderlich wäre, nicht aus.
Schließlich wird – anders als das Berufungsgericht meint und unabhängig von der Frage, ob die Erwägungen des Berufungsgerichts insoweit in Bezug auf das Vorliegen einer Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts über-haupt von Relevanz sein könnten – aus dem Buch auch hinreichend deutlich, dass Grund für die vom Erblasser mit dem Beklagten zu 1 geführten Gespräche das Projekt einer Autobiographie des Erblassers war, dessen Ghostwriter der Beklagte zu 1 sein sollte. So findet sich bereits auf der Rückseite des Buchein-bands der Hinweis, der Erblasser habe dem Beklagten zu 1 „als Ghostwriter“ seiner Memoiren in 630 Stunden seine Lebenserinnerungen zu Protokoll gege-ben. Auch auf der Innenseite des Bucheinbands ist vermerkt, dass der Beklagte zu 1 dem Erblasser als „Ghostwriter“ seiner Erinnerungen „so nah wie kein Zwei-ter“ gewesen sei. Weiter wird auf Seite 18 des Buches vom Beklagten zu 1 aus-geführt, Grund für die Gespräche mit dem Erblasser sei gewesen, dass er – der Beklagte zu 1 – Autor der Lebenserinnerungen des Erblassers gewesen sei. Auch der konkrete Ablauf der Zusammenarbeit wird dem Leser mitgeteilt. So wird auf Seite 49 des Buches ausgeführt:
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„Hatte ich hundert Seiten beisammen, fuhr ich mit meinem Manuskript zur Begutachtung nach Oggersheim. Vorab lesen wollte Kohl nichts. Ihm war es wichtig, Zeile für Zeile gemeinsam durchzusehen. Um si-cherzugehen, hatte der ewig Misstrauische stets auch noch seinen persönlichen Referenten einbestellt. Schließlich galt es, für die Ewig-keit zu formulieren.“
Nicht zuletzt berichtet der Beklagte zu 1 auf Seite 17 des Buches selbst, dass das Oberlandesgericht Köln die Zusammenarbeit zwischen ihm und dem Erblasser nicht als gleichberechtigt und die Gespräche nicht als journalistisches Interview angesehen habe. Dass er – der Beklagte zu 1 – diese Wertung nicht teilt, geht über die für die Frage der Verletzung des postmortalen Persönlichkeits-rechts des Erblassers von vornherein unerhebliche Mitteilung einer abweichen-den Rechtsauffassung des Beklagten nicht hinaus.
d) Weiter verletzt keine der beanstandeten Passagen das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Achtungsanspruchs, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2018 – XII ZB 414/16, NJW-RR 2018, 967 Rn. 19; BVerfG, NJW 2018, 770 Rn. 20; BVerfGE 146, 1 Rn. 103 – parlamentarisches Fragerecht; BVerfG, NJW 2001, 2957, 2958 f., juris Rn. 19 – Wilhelm Kaisen). Zwar sind insbesondere die Passagen 9, 12, 13, 19, 38, 85, 88, 91, 102, 103, 105 und 107 durchaus geeignet, sich abträglich auf das Bild des Erblassers in der Öffentlichkeit auszuwirken, und beeinträchtigten den Erblasser deshalb in seiner Ehre und sozialen Anerkennung. Auch diese Beeinträchtigungen errei-chen aber weder für sich noch im Zusammenspiel mit anderen Passagen das Maß, das für die Annahme einer die Menschenwürde des Erblassers verletzen-den Herabwürdigung oder Erniedrigung erforderlich ist.
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e) Schließlich stellt sich die Verurteilung der Beklagten zu 3 zur Unterlas-sung der Veröffentlichung und Verbreitung der im Tenor unter 1a in Bezug ge-nommenen wörtlichen Zitate in den Passagen 4 bis 7, 9, 10, 12 bis 17, 19 bis 24, 26 bis 30, 32 bis 42, 44 bis 47, 49 bis 55, 57 bis 60, 63 bis 72, 74 bis 80, 82 bis 88, 90, 91, 95 bis 98, 102, 103, 105 bis 110 und 112 bis 116 auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Insbesondere ergibt sich ein ent-sprechender Unterlassungsanspruch unabhängig von einer (drohenden) Verlet-zung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers nicht aus § 826 BGB. Denn eine Rechtsposition des verstorbenen Erblassers jenseits seines postmortalen Persönlichkeitsrechts, in der er – wie von § 826 BGB verlangt – sit-tenwidrig geschädigt werden könnte, gibt es nicht.
Dass die Beklagte zu 3 damit im Ergebnis – wie die Revision der Klägerin es formuliert – vom Versterben des Erblassers „profitierte[…]“ und ein faktisches Leerlaufen der vertraglichen Verschwiegenheitsverpflichtung des Beklagten zu 1 droht, ändert an den dargestellten Ergebnissen ebenfalls nichts. Es handelt sich dabei schlicht um Konsequenzen aus dem gegenüber dem allgemeinen Persön-lichkeitsrecht eingeschränkten Schutzumfang des postmortalen Persönlichkeits-rechts einerseits und der auf das Verhältnis der Vertragspartner zueinander be-schränkten Wirkung vertraglicher Verschwiegenheitsabreden.
f) Folglich war die Verurteilung der Beklagten zu 3, die Veröffentlichung und Verbreitung der wörtlichen Zitate aus den Passagen 4 bis 7, 9, 10, 12 bis 17, 19, 20, 23, 24, 26 bis 28, 30, 32 bis 42, 44 bis 47, 49 bis 53, 55, 57 bis 60, 63 bis 72, 74 bis 80, 82 bis 87, 91, 95 bis 98, 102, 103, 105 bis 110 und 112 bis 116 vollumfänglich und aus den Passagen 21, 22, 29, 54, 88 und 90 im aus dem Tenor unter 1a ersichtlichen Umfang zu unterlassen, aufzuheben.
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Hinsichtlich der Passagen 4 bis 7, 9, 10, 12, 16, 17, 19, 23, 24, 26, 27, 30, 33 bis 37, 39 bis 42, 44, 46, 47, 50 bis 53, 57 bis 60, 63 bis 65, 67, 69 bis 72, 74 bis 77, 79, 80, 82, 84, 86, 87, 91, 95, 96, 102, 103, 105 bis 110, 112 und 114 bis 116 konnte der erkennende Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Die Klage war insoweit abzuweisen. Gleiches gilt für die Passagen 29, 54 und 90 im Umfang der Aufhebung sowie für Passage 22 und 49 im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang. Insoweit kann auf der Grundlage der vom Be-rufungsgericht jeweils getroffenen, von der Klägerin nicht angegriffenen Feststel-lungen ausgeschlossen werden, dass der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht.
Hinsichtlich der Passagen 13 bis 15, 20, 28, 32, 38, 45, 55, 66, 68, 78, 83, 85, 97, 98 und 113, hinsichtlich der Passagen 21 und 88 im Umfang der Aufhe-bung gilt anderes, ebenso hinsichtlich Passage 22, soweit die Volker Rühe be-treffenden Zitate „eher nützlich“, „eher“ und „natürlich die Hosen gestrichen voll“ betroffen sind, sowie hinsichtlich Passage 49, soweit der Zitatteil „Müller ist cha-rakterlich wirklich eine Null.“ betroffen ist. Insoweit kann auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass sich die jeweiligen Zitate im Rahmen des weiteren Verfahrens doch noch als Fehlzitate erweisen. Die Authentizität der betroffenen Zitate in den Passagen 32, 45, 66 und 78 hat das Berufungsgericht bereits ausdrücklich offengelassen; gleiches gilt für die Volker Rühe betreffenden Zitate in Passage 22 und das vorgenannte Zitat in Passage 49 („Müller ist charakterlich wirklich eine Null“). In Bezug auf die von der Aufhebung betroffenen Passagen 15, 20, 21, 28, 38, 68, 83, 85, 97 und 98 steht einer abschließenden Beurteilung durch den Senat entgegen, dass das Beru-fungsgericht insoweit von sogenannten „Kombizitaten“ ausgegangen ist, die ge-troffenen Feststellungen aber – anders als etwa die Feststellungen zu den Passa-gen 33, 49, 53, 65 oder 82 – nicht hinreichend erkennen lassen, ob die Kombina-tion zu einer relevanten inhaltlichen Verfälschung der jeweiligen tatsächlichen
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Aussagen des Erblassers geführt hat. Ob – wie das Berufungsgericht in Bezug auf Passagen 13 und 14 formuliert hat – eine „oberflächlich richtige Wiedergabe der Äußerung des Erblassers“ ihre inhaltliche Verfälschung ausschließt, vermag der erkennende Senat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ebenso wenig abschließend zu beurteilen wie die Frage, ob die Bedeutung des Begriffs „Ehrenmann“ in dem aus dem Buch hervorgehenden Kontext mit der Bedeutung übereinstimmt, die ihm der Erblasser tatsächlich gegeben hat (Passage 55). Schließlich lässt sich auch den hinsichtlich Passage 113 getroffenen Feststellun-gen nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, ob der Erblasser die ihm zu-geschriebene Äußerung tatsächlich getätigt hat. Auch die zu Passage 88 ge-troffenen Feststellungen lassen nicht hinreichend erkennen, ob die von der Auf-hebung betroffenen Teile dieser Passage eine relevant verfälschte Wiedergabe des vom Erblasser tatsächlich Gesagten darstellen.
II. Die gegen die teilweise Abweisung ihrer Klage gerichtete Revision der Klägerin hat ebenfalls nur teilweise Erfolg.
1. Soweit sie sich gegen die Abweisung des auf Passage 8 bezogenen Unterlassungsantrags wendet, ist die Revision bereits unzulässig.
a) Das Berufungsgericht hat die Revision insoweit nicht zugelassen.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zu-lassung der Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selbständig an-fechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte. Die Beschränkung kann sich dabei sowohl aus einem entsprechenden Zusatz in der Entscheidungsformel des Be-rufungsurteils als auch aus den Entscheidungsgründen, in deren Lichte der Tenor auszulegen ist, ergeben. Letzteres ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich
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die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für ei-nen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt (vgl. nur Se-natsurteil vom 12. Februar 2019 – VI ZR 141/18, NJW 2019, 2538 Rn. 12 f., mwN).
bb) Nach diesen Grundsätzen ist davon auszugehen, dass die Abweisung der Klage hinsichtlich Passage 8 von der Revisionszulassung nicht erfasst ist.
(1) Beim von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsanspruch hinsichtlich Passage 8 einerseits und hinsichtlich der übrigen Passagen anderer-seits handelt es sich um selbständige Teile des Gesamtstreitstoffs; die Klägerin hätte ihre Revision auf die teilweise Abweisung ihrer Klage hinsichtlich der übri-gen Passagen beschränken können.
(2) Auch ergibt sich aus dem Berufungsurteil eindeutig, dass die Abwei-sung der Klage in Bezug auf Passage 8 nicht von der Revisionszulassung erfasst sein sollte.
Unter Ziffer V. des Tenors des Berufungsurteils hat das Berufungsgericht die Revision „im Hinblick auf die Verurteilung der Beklagten zu 2 und 3“ zugelas-sen. Zur Begründung der Revisionszulassung hat es ausgeführt, die Rechtssa-che habe grundsätzliche Bedeutung, weil die Frage der Reichweite des postmor-talen Persönlichkeitsschutzes bei ungenehmigter Veröffentlichung wörtlicher Zi-tate von Tonbandaufzeichnungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht geklärt sei. Diese Frage stellt sich hinsichtlich Passage 8 offensichtlich nicht, wird hier doch gerade keine Aussage des Erblassers wiedergegeben.
b) Auch ist die Revision der Klägerin insoweit nicht gemäß § 554 Abs. 2 ZPO ohne Zulassung statthaft. Denn das gegen Passage 8, die gerade keine (angebliche) Äußerung des Erblassers im Rahmen der „Memoirengespräche“ enthält, gerichtete Unterlassungsbegehren steht mit den die Wiedergabe von
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(angeblichen) Äußerungen des Erblassers betreffenden Unterlassungsansprü-chen nicht in dem erforderlichen (vgl. nur BGH, Urteil vom 22. November 2007 I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 40 f.) rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusam-menhang.
c) Keinen Erfolg hat die von der Klägerin auch insoweit hilfsweise einge-legte Nichtzulassungsbeschwerde. Weder hat die Rechtssache insoweit grund-sätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Siche-rung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsge-richts. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 544 Abs. 6 Satz 2 ZPO).
2. Die im Übrigen zulässige Revision der Klägerin ist nur zum Teil begrün-det.
a) Ob das Berufungsgericht die Revisionszulassung insgesamt, also auch hinsichtlich der Passagen 9, 14, 22, 27, 28, 32 bis 35, 37, 38, 42, 45, 48, 49, 52, 53, 56, 59, 61, 64, 66 bis 69, 71, 72, 83, 85, 86, 88, 90, 92, 96, 98, 99, 101, 103, 109, 114, bezüglich derer es das Urteil des Landgerichts zulasten der Klägerin abgeändert hat, auf die Beklagten zu 2 und 3 beschränken und (auch) die Kläge-rin damit von der Revisionszulassung ausnehmen wollte, kann dahinstehen. Denn insoweit ist die Revision der Klägerin jedenfalls als Anschlussrevision ge-mäß § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO zulässig. Der erforderliche rechtliche und wirt-schaftliche Zusammenhang ist schon deshalb gegeben, weil von der Revision der Klägerin dieselben Buchpassagen betroffen sind, die auch Gegenstand der zugelassenen Revision der Beklagten zu 3 sind.
b) Unbegründet ist die Revision der Klägerin, soweit sie sich gegen die teilweise Abweisung ihrer Klage gegen die Beklagte zu 3 durch das Berufungs-gericht in Bezug auf die Passagen 9, 27, 33, 34, 35, 37, 42, 52, 53, 59, 64, 67,
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69, 71, 72, 86, 96, 103, 109 und 114 sowie 22, soweit der Erblasser hier mit den Worten „Diese Dame ist ja wenig vom Charakter heimgesucht.“ und „die Dame Merkel“ zitiert wird, wendet. Gleiches gilt für Passage 49 mit Ausnahme des Sat-zes „Müller ist charakterlich eine Null“ und für Passage 90, soweit der Erblasser hier mit den Worten zitiert wird „Es ist doch dem Volkshochschulhirn von Thierse entsprungen, dass das auf den Straßen entschieden wurde.“
Wie gezeigt verletzen schon die in den Passagen enthaltenen wörtlichen Zitate das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers nicht. Für die darüber hinaus gehenden Teile der genannten Passagen, hinsichtlich Passage 22 für die Sätze
„Auch seine Vertraute Juliane Weber habe regelmäßig das Weite ge-sucht, sobald „die Dame Merkel“ im Anmarsch gewesen sei. Genug! Da erteilt ein Schulmeister unter seinen Zöglingen Verhaltens- und Charakternoten, die sich zumeist zwischen mangelhaft und ungenü-gend bewegen“,
gilt nichts Anderes. Insbesondere wird der Erblasser bereits nach den von der Revision der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts außerhalb der wörtlichen Zitate dieser Passagen nicht falsch zitiert. Besteht der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch mangels drohender Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts damit insoweit nicht, so gilt dies auch bezüglich einer sinngemäßen Veröffentlichung oder Verbreitung der in den Passagen enthaltenen wörtlichen Zitate. Die insoweit erfolgte und von der Revision der Klägerin bekämpfte Abweisung der Klage stellt sich damit jedenfalls im Ergebnis als richtig dar (§ 561 ZPO).
c) Begründet ist die Revision der Klägerin, soweit ihre Klage gegen die Beklagte zu 3 hinsichtlich der Passagen 14, 28, 32, 38, 45, 48, 56, 61, 66, 68,
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83, 85, 88, 92, 98, 99 und 101 sowie in Bezug auf die Untersagung der sinnge-mäßen Wiedergabe des Zitats „Müller ist charakterlich eine Null“ in Passage 49, hinsichtlich der Sätze
„Zu einer gewissen Hoffnung gibt allenfalls Volker Rühe Anlass. Der Nachfolger Heiner Geislers im Amt des Generalsekretärs erhält von Kohl immerhin das Prädikat ‚eher nützlich‘, wobei bereits das Epithe-ton ‚eher‘ genaugenommen infernalisch ist. Ein Held scheint er jeden-falls nicht eben zu sein. Bei seiner Kandidatur 1989 in Bremen hatte Rühe ’natürlich die Hosen gestrichen voll‘.“ und
„Da könne ‚man sich nur bekreuzigen‘.“
in Passage 22 und hinsichtlich der Sätze „Ausgerechnet Wolfgang Thierse, ‚die-ses Subjekt‘, ‚der mit der Kerze‘ “ und „‚der Rauschebart, der sich durch die Ge-schichte lügt, dass es eine Schande ist‘ “ in Passage 90 abgewiesen worden ist.
aa) Hinsichtlich der wörtlichen Zitate in den Passagen 48, 56, 61, 92, 99, 101, 22, soweit der Erblasser hier mit den Worten „man sich nur bekreuzigen“ zitiert wird, 88, soweit der Erblasser hier mit den Worten „werde ich mich über den Rau auslassen“ zitiert wird, und 90, soweit der Erblasser hier mit den Worten zitiert wird „dieses Subjekt“, „der mit der Kerze. Der Rauschebart, der sich durch die Geschichte lügt, dass es eine Schande ist“, ist die Revision der Beklagten zu 3 – wie gezeigt – zurückzuweisen, weil der vom Berufungsgericht bejahte Unter-lassungsanspruch besteht. Da das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblas-sers entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsauffassung nicht nur durch das wörtliche Unterschieben der jeweiligen Aussagen verletzt würde, son-dern auch durch ein nur sinngemäßes Unterschieben, kann die Abweisung der Klage in Bezug auf die nur sinngemäße Veröffentlichung oder Verbreitung der vorgenannten wörtlichen Zitate keinen Bestand haben.
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Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht die Unterlassungspflicht hin-sichtlich dieser Passagen darüber hinaus streng auf die dort als wörtliche Zitate ausgegebenen Textpassagen beschränkt. In allen Passagen sind die übrigen Teile so eng mit den wörtlichen Zitaten verflochten, dass sie als Teil der jeweils unzulässigen Gesamtaussage mitzuuntersagen sind. Hinsichtlich Passagen 22 und 88, in denen jeweils nur eines der wörtlichen Zitate falsch ist, gilt dies für die Teilsätze „Da könne“ (Passage 22) bzw. „Im abschließenden Band der Memoiren – verspricht – er […]“ (Passage 88).
Da feststeht, dass das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers mit einer Veröffentlichung und Verbreitung dieser Passagen verletzt würde und die Sache damit insoweit entscheidungsreif ist, kann insoweit gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache entschieden werden und der Unterlassungsausspruch auf die gesamte Passage unter Einschluss der sinngemäßen Wiedergabe erwei-tert werden.
bb) Hinsichtlich der Passagen 32, 45, 66, 49, soweit der Erblasser hier mit dem Satz „Müller ist charakterlich wirklich eine Null“, und 22, soweit der Erblasser hier in Bezug auf Volker Rühe mit den Worten „eher nützlich“, „eher“ und „natür-lich die Hosen gestrichen voll“ zitiert wird, hat das Berufungsgericht ausdrücklich offengelassen, ob die wörtlichen Zitate authentisch sind. Anders als für die Revi-sion der Beklagten zu 3 ist für die Revision der Klägerin damit zu unterstellen, dass sich der Erblasser nicht entsprechend geäußert hat. In diesem Fall be-schränkte sich die Unterlassungsverpflichtung der Beklagten zu 3 auch hier nicht – wie vom Berufungsgericht ausgesprochen – auf die wörtliche Veröffentli-chung oder Verbreitung; vielmehr dürfte dem Erblasser eine falsche Aussage auch nicht sinngemäß untergeschoben werden. Sollte sich der Erblasser tatsäch-lich nicht wie in den wörtlichen Zitaten wiedergegeben geäußert haben, so er-fasste die Unterlassungspflicht der Beklagten zu 3 mit Ausnahme von Passage
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49 auch hier die übrigen Teile der jeweiligen Passage, die – mit Ausnahme von Passage 49 – mit den wörtlichen Zitaten eine einheitliche Gesamtaussage bilden. Hinsichtlich Passage 22 gilt dies für die Volker Rühe betreffenden Teile. Das Be-rufungsurteil war deshalb auch insoweit aufzuheben und die Sache an das Beru-fungsgericht zurückzuverweisen.
cc) Schließlich hat das Berufungsgericht – wie gezeigt – in der Sache of-fengelassen, ob die als wörtliche Zitate gekennzeichneten Stellen in den Passa-gen 14, 28, 38, 68, 83, 85 und 98 die tatsächlichen Aussagen des Erblassers verzerren; hinsichtlich Passage 88 gilt dies hinsichtlich der Zitate „diese absurde Figur, die sich da ins Amt des Bundespräsidenten geschlichen hat.“ und „die un-erträgliche Verknüpfung von Religion und Politik“. Sollte dies, was hinsichtlich der Revision der Klägerin zu unterstellen ist, der Fall sein, so wäre auch hier neben der wörtlichen Veröffentlichung und Verbreitung die sinngemäße zu untersagen
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und die Untersagung nicht auf die als wörtliche Zitate gekennzeichneten Stellen zu beschränken. Auch insoweit war das Berufungsurteil deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Seiters Offenloch Müller
Allgayer Böhm
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 27.04.2017 – 14 O 261/14 –
OLG Köln, Entscheidung vom 29.05.2018 – 15 U 65/17 –